Zuckriger Spielball europäischer Agrarpolitik

Print Friendly, PDF & Email

Sonntag Aktuell Uwe Roth 12.07.2009

Empfänger von EU-Subventionen sind im Internet veröffentlicht – Die
Absurdität des Systems erklärt die Datenbank nicht

Die Funktionäre der Bauernverbände atmen auf: Der Wirbel um die im Internet veröffentlichten Agrarzahlungen hat sich schnell gelegt. Das Beispiel der Zuckerrübe
beweist jedoch, wie verrückt das System geworden ist.

Der Widerstand des bayerischen Landwirtschaftsministers Helmut Brunner (CSU) war populistisch und vergeblich: Bayern wird als letztes Bundesland die Empfängernamen von EU-Agrarhilfen im Internet veröffentlichen. Die Staatsregierung gibt sicher nicht nur klein bei, weil andernfalls horrende Strafzahlungen von 700 000 Euro täglich gedroht hätten. Ein Blick in die übrige Republik hatte für Erleichterung gesorgt: Die befürchtete Neiddiskussion ist nach Veröffentlichung der Daten weitgehend ausgeblieben.

Wenige Großbetriebe, die vom warmen Geldregen aus Brüssel besonders profitieren, kamen in die Kritik, nicht der landwirtschaftliche Normalbetrieb. Dies dürfte in München zur Erkenntnis geführt haben, dass die Weigerung der Mühe und das finanzielle Risiko nicht wert ist. Ein Aufatmen gab’s auch in Baden-Württemberg. Vor der Europawahl hat Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) die Veröffentlichungen der EU-Agrarzahlungen wegen datenschutzrechtlicher Bedenken ausgesetzt und weitere Gespräche mit der EU-Kommission angemahnt. Dass Nachverhandeln juristisch zu nichts führen konnte, auch weil die notwendige Rückendeckung aus Berlin fehlte, darüber schweigt er bis heute.

Stilles Einknicken des Agrarministers

Fristgerecht gab Minister Hauk die Empfängernamen auf der Internetseite www.agrar-fischereizahlungen. de frei. Landesbauernverbandspräsident Joachim Rukwied war anfänglich sehr zufrieden mit dem Vorstoß seines Agrarministers und begrüßte dessen „eindeutige Entscheidung“ gegen eine Datenfreigabe. Das stille Einknicken von Hauk (nach der Europawahl) hat Rukwied nicht öffentlich kommentiert, auch hat der Bauernverband keine weiteren Protestaktionen angekündigt.

Intern fühlt man sich weiter bloßgestellt. Gegenüber Sonntag Aktuell versichert der Bauernpräsident, er habe „gegen eine anonymisierte Veröffentlichung von Anfang an nichts einzuwenden gehabt“. Ihn störe allerdings, dass nur die Agrarwirtschaft als Nutznießer europäischer Steuergelder an den Pranger gestellt werde. Besonders stark hat es in Baden-Württemberg die Südzucker AG in Mannheim erwischt. Sie ist mit 34,4 Millionen Euro 2008 Deutschlands größter Agrarsubventionsempfänger gewesen.

Diese gewaltige Summe und die Frage „Wofür eigentlich?“ lenkte die Aufmerksamkeit von den übrigen Empfängern im Land weitgehend ab. Joachim Rukwied ist zudem davon überzeugt, dass es der Bauernverband gut verstanden habe, der Öffentlichkeit zu erklären, warum Landwirten das Geld aus Brüssel redlich zusteht. „Nicht ein einziger Landwirt schämt sich.“ Auch Rukwieds Einnahmequellen sind nun teilveröffentlicht. Der Bauernverbandspräsident ist Hofbesitzer in Eberstadt, Landkreis Heilbronn.

Bauernpräsident gehört zur Oberklasse

Im Internet kann man jetzt nachlesen, dass er 2008 rund 106 000 Euro aus Brüssel erhalten hat, damit gehört er zur „oberen Mittelklasse“ unter seinen Agrarkollegen. Einen Teil bekommt er für Flächen, auf denen er Zuckerrüben anbaut. Zuckerrüben sind ein Paradebeispiel für die Verrücktheit des EU-Agrarsystems, das erklärt, warum Außenstehende das Hin- und Hergeschiebe von EU-Geldern nicht mehr nachvollziehen können: Rukwied erhält wie jeder Landwirt, der Grün- oder Ackerflächen bewirtschaftet, jährlich 300 Euro je Hektar, sogenannte Direktzahlungen von der EU.

Zusätzlich überweist Brüssel eine Ausgleichsprämie an den Landwirt, als Entschädigung, weil die Agrarminister eine Begrenzung der Zuckerrübenproduktion beschlossen haben. Einziger Abnehmer seiner Rüben ist die Südzucker AG, die ihm einen Preis zahlt, den der Verband baden-württembergischer Zuckerrübenbauer ausgehandelt hat. Gleichzeitig besitzen Rübenbauern Anteile an Südzucker. Rukwied bekommt zusätzlich zum Erlös aus dem Rübenverkauf an Südzucker eine jährliche Dividende von der Aktiengesellschaft. Obwohl die Lebensmittelindustrie eine Menger Zucker verarbeitet, mehr, als der Verbraucher eigentlich verträgt, produzieren Europas Bauern trotzdem zu viele Rüben.

Um wenigstens einen Teil des Überschusses loszuwerden, subventioniert die EU großzügig die weltweite Vermarktung. Dafür gibt die EU-Kommission Zuckerfabriken wie Südzucker Geld in die Hand, sogenannte Exporterstattungen. Diese können damit den Zucker außerhalb der EU zu günstigen Weltmarktpreisen absetzen. Vom Gesamtbetrag, den die Südzucker AG 2008 von der EU zugewiesen bekommen hat, sind 31,7 Millionen Exporterstattungen. Die Konzernleitung reagiert nun auf die teilweise harsche Medienkritik an den Subventionsmillionen, Südzucker habe die 31,7 Millionen Euro selbst finanziert.

Absurdität auf dem Zuckermarkt  geht weiter

Und nicht der Steuerzahler. Die Begründung: Für jede produzierte Tonne zahlen sowohl die Zuckerindustrie als auch die Anbauer jeweils zwölf Euro in den EU-Haushalt als sogenannte Produktionsabgabe. Insgesamt 80 Millionen Euro habe Südzucker 2008 dafür aufgebracht, knapp 40 Millionen Euro weniger als Brüssel zurückgezahlt habe. „Die Exporthilfe ist deswegen keine Subvention im eigentlichen Sinn“, argumentiert wie die Konzernleitung auch Bauernverbandspräsident Rukwied. Er ist nicht nur Rübenlieferant, sondern auch Aufsichtsrat bei der Südzucker AG. Die Freigabe der Namen im Internet erklärt weder die komplizierten Strukturen der europäischen Agrarpolitik noch verschafft sie ausreichend Transparenz, um feststellen zu können, ob EU-Gelder tatsächlich gerecht verteilt werden.

Die Absurdität auf dem Zuckermarkt wird jedenfalls fortgeführt: Die Brüsseler Exporthilfen fallen demnächst weg. Gleichzeitig werden die Importe von billigem Fremdzucker in die EU erleichtert. Südzucker wird dann weniger Rüben von den heimischen Anbauern abnehmen. Um Umsatzverluste auszugleichen, hat Südzucker laut „Deutscher Zuckerzeitung“ mit dem Mauritius Zucker Syndikat eine Vertriebspartnerschaft abgeschlossen und wird 90 Prozent des auf Mauritius erzeugten Zuckers künftig in der EU vermarkten. Kleineren Zuckerrübenanbauern im Land wird es bei dieser Entwicklung sicher an den Kragen gehen. Der Landesbauernverband will an den Grundsätzen der Agrarfinanzierung dennoch nicht rütteln. Wenigstens nicht in der Öffentlichkeit.

Man hat sich im Großen und Ganzen arrangiert mit den riesigen Agrobetrieben in Ost- und Norddeutschland, die Millionenbeträge aus Brüssel kassieren, wie ein Blick in die Internetdatenbank zeigt. Auch wenn die Kleinbauern im Land im Vergleich dazu fast nichts bekommen, „eine Groß-Klein-Debatte führe ich nicht“, sagt Präsident Rukwied entschieden. Uwe Roth