SWP Uwe Roth 20.07.2017
Eine Reform der Zonenstruktur in der Region Stuttgart ist eingeleitet. Wohin sie am Ende führen soll, ist am Mittwoch in der Regionalversammlung nicht deutlich geworden.
Es ist seit Jahren die gleiche Feststellung: „Wer neu in die Region kommt, steht erst einmal ratlos vor dem Fahrkartenautomaten und den Zoneneinteilungen.“ So eröffnete Regionalrat Helmut Noë seinen Diskussionsbeitrag für die CDU zum Tagesordnungspunkt „Tarifzoneneinteilung im VVS“. „Es besteht Handlungsbedarf“, sagte er in der Sitzung der Regionalversammlung. Die unfaire Einteilung der Zonen zeigt sich für ihn allein darin, dass das Stadtgebiet von Stuttgart aus nur zwei Zonen bestehe, der benachbarte Verbundkreis Esslingen hingegen aus 15.
In den übrigen Kreisen um Stuttgart sind die Zonen ähnlich kleinparzelliert. Die fünf Tarifringe teilen sich in weitere 50 Sektorenzonen auf. Folgerichtig sind längere Fahrten mit dem Linienbus innerhalb eines Landkreises in der Regel teurer als in Stuttgart. Bewohner der ländlichen Räume „bezahlen für den ÖPNV Großstadtpreise, erhalten aber als Gegenleistung nur einen Schulbusverkehr“, befand Linke-Fraktionschef Christoph Ozasek. Ein auf das Oberzentrum Stuttgart zugeschnittenes Tarifsystem sei nicht zukunftsweisend.
Umstieg auf ÖPNV fördern
Weniger Zonen und mehr Tarifgerechtigkeit sind Voraussetzung, um dem politischen Ziel näherzukommen, mehr Autopendler zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen. Darin sind sich die Regionalfraktionen grundsätzlich einig. Auf wie viele Zonen der Verkehrs- und Tarifverbund (VVS) tatsächlich verzichten kann, ist letztlich eine Frage des Geldes. Eine Veränderung der Tarifzoneneinteilung beschert dem Verkehrsverbund zuerst weniger Einnahmen. Das führt entweder zu höheren Ticketpreisen oder die Verbundlandkreise erhöhen ihre Abgaben an den VVS. „Am Ende zahlt entweder der Steuerzahler die Zeche oder der VVS-Nutzer – also immer Bürger.“ So fasste es Frank Buß von den Freien Wählern zusammen. Die Wunschvorstellung der Grünen von einem Ein-Zonen-Modell für die ganze Region wird vorerst eine solche bleiben.
Die Ankündigung der Landeshauptstadt, die Zusammenführung der beiden Innenstadtringe prüfen zu wollen, hat Schwung in die Debatte und die Landkreise in einen gewissen Zugzwang gebracht (siehe Infobox). Eine Überlegung ist nun, die Sektorengrenzen, die die Außenringe unterteilen, wegfallen zu lassen. Davon profitieren Fahrgäste, die sich nicht in Richtung Stuttgart bewegen, sondern tangential innerhalb eines dann durchgängigen Zonenrings. Die Mindererlöse schätzt der Verband Region Stuttgart (VRS) auf 5,4 Millionen Euro jährlich. Bei geschätzten Mehreinnahmen durch höhere Ticketverkäufe von bis zu 1,6 Millionen Euro verbliebe ein Defizit von etwa vier Millionen Euro, das von den Landkreisen abzudecken wäre.
Debatte um Finanzierung
Grünen-Regionalrat Reichel sieht in dieser Summe „ein Schnäppchen“. Zumal seine Fraktion davon ausgehe, „dass sich diese Reform im Zuge der üblichen Mehreinnahmen bei Tarifsteigerungen von selbst finanziert“. Auch nach Überzeugung der Freien Wähler sind die vier Millionen Euro „leistbar“. Buß zeigte sich jedoch überzeugt, dass das „Aufwands-Erfolgs-Verhältnis eher bescheiden ausfallen wird“, da nach seiner Erwartung das Nachfragepotenzial eher gering ausfallen werde. Ähnlich äußerte sich CDU-Regionalrat Noë. Für die SPD dagegen ist dieses Argument nicht stichhaltig. „Ein gut ausgebauter ÖPNV gehört für uns Sozialdemokraten zur öffentlichen Daseinsvorsorge“, sagte Thomas Leipnitz. Dieser sei „angemessen durch öffentliche Gelder zu finanzieren und nicht in erster Linie aus den Geldern der Nutzer“. Die Vorschläge, die ebenso eine Reform des Tagestickets vorsehen, könnten „nur ein erster Schritt hin zu einer großen Tarifreform sein“.
Am Ende waren sich die Regionalräte einig, „dass wir die Konzentration auf das legen, was möglich ist“, so Reichel. Eine Reform kann die Regionalversammlung allein nicht beschließen. Das können die Gesellschafter des Verkehrsverbundes nur gemeinsam. Der Gesellschaftsanteil des VRS liegt bei 20 Prozent. Ob eine kleine Reform bereits 2018, ein Jahr später oder auch gar nicht kommt, steht ebenfalls noch nicht fest.
14 Millionen Euro pro Jahr als Ausgleich
Die Stadt Stuttgart wäre bereit, bei einer Zusammenlegung der Zonen 10 und 20 zu einer Innenstadtzone über 14 Millionen Euro jährlich als Ausgleich an den VVS zu zahlen. Statt 2,90 Euro müsste der Fahrgast künftig 2,40 Euro für den Innenraum bezahlen. Es ist ein reiner Stadttarif.
Würden die Gesellschafter des VVS sowohl die Zusammenlegung der Innenstadtzonen beschließen als auch den Wegfall der Sektorengrenzen in den fünf Tarifringen, müsste nach einer Berechnung des VRS mit Mindereinnahmen von 38,5 Millionen Euro gerechnet werden. In der Regionalversammlung gilt dies als politisch nicht durchsetzbar. uro
Siehe auch:
http://journalistroth.eu/kreistag-ludwigsburg-zeigt-verstaendnis-fuer-hoehere-vvs-preise/
http://journalistroth.eu/aerger-ueber-verteilung-der-gelder-beim-verkehrsverbund-stuttgart/
http://journalistroth.eu/ssb-spricht-sich-fuer-erhoehung-der-ticketpreise-aus/
http://journalistroth.eu/zoneneinteilung-bleibt-ungerecht/