SWP Uwe Roth 09.01.2018
Seit 20 Jahren vertritt der Fahrgastbeirat die Interessen von Bus- und Bahnpendlern in der Region Stuttgart. Die ehrenamtlichen Mitglieder haben gelernt, dass auch kleine Fortschritte ein Erfolg sind. Von Uwe Roth
Es ist ein Gremium, das selten an die Öffentlichkeit tritt und mit Erfolgsbilanzen prahlt. Seit zwei Jahrzehnten treffen sich die 17 Mitglieder des Fahrgastbeirats im Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) zwei- bis dreimal im Jahr, um über Verbesserungen im Nahverkehr zu sprechen. Verbandsgeschäftsführer Thomas Hachenberger und sein Stellvertreter Horst Stammler, die ebenfalls Mitglieder des Beirats sind, versichern jedes Mal, dass die Wünsche und Anregungen der Beiratsmitglieder berücksichtigt würden – sofern machbar, finanzierbar und in Zuständigkeit des VVS.
Die Mitglieder des Fahrgastbeirats sind natürliche Verbündete des Verkehrsverbunds. Denn sie und ihre Zielgruppe, die ihre Organisationen repräsentieren, sind nicht unbedingt Anhänger des motorisierten Individualverkehrs. Stattdessen sind Busse, Bahnen oder Fahrräder ihre bevorzugten Fortbewegungsmittel (siehe Info). Oder sie sind auf einen gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr in einem besonderen Maß angewiesen, wie Senioren oder Behinderte. Alle Erwartungen an den VVS zusammengenommen, könnten die Tagesordnungen des Beirats über Jahre füllen. Letztlich kanalisiert er die Kundenbeschwerden, die täglich bei der S-Bahn oder den Stuttgarter Straßenbahnen eingehen. Allen voran Klagen über Unpünktlichkeit, schlechte Verbindungen, mangelhafte Informationen, hinderliche Barrieren, hohe Fahrpreise oder unfreundlichen Service.
Sprecher des Fahrgastbeirats verzichtet aufs Auto
Wie viel Wirkung die Arbeit des Beirats hat und mit was er sich aktuell beschäftigt, lässt sich für Außenstehende schwer einschätzen. Im Internet auftritt des VVS sind die Seiten der Gruppe nicht leicht zu finden. Die jüngste Übersicht der Sitzungsthemen stammt vom Juli 2016. Wolfgang Staiger vertritt im Gremium den Fahrgastverband Pro Bahn und ist zugleich Sprecher des VVS-Fahrgastbeirats. Er sagt, für eine Öffentlichkeitsarbeit fehlten die Ressourcen. Schließlich sei es eine ehrenamtliche Mitarbeit. „Mehr ist nicht zu stemmen.“ Der 58-Jährige ist seit 2001 Mitglied und arbeitet als Softwareingenieur in der Automobilindustrie. „Ich aber habe kein Auto mehr“, betont er und sagt, dass „der ÖPNV in einer Großstadt wie Stuttgart einen größeren Stellenwert haben müsste“.
Ein Vorbild ist für ihn Paris, wo ein Ticket nur einen Bruchteil des VVS-Tarifs kostet. „Die französischen Arbeitgeber zahlen für ihre Mitarbeiter eine Nahverkehrsabgabe“, weiß er. Dadurch werde nicht nur der Fahrpreis gesenkt, sondern die Pariser Metro erhalte so auch die nötigen Mittel, das Angebot stetig zu verbessern. Für die Region Stuttgart sieht er eine solche Lösung nicht. Dafür sei die Bereitschaft der Pendler, täglich im Stau zu stehen, einfach zu groß. „Man kann nur hoffen, dass da noch Vernunft einkehrt.“
VVS lobt Erfolge des Fahrgastbeirats
Staiger schätzt, dass der Beirat in den vergangenen 20 Jahren etwa 600 Anregungen an den VVS weitergegeben hat. Fragt man ihn, was er als einen besonderen Erfolg bezeichnen würde, antwortet er, auf Anregung des Fahrgastbeirats sei der Bustakt zum Stuttgarter Westbahnhof verbessert worden. Der VVS lobt indes, dass der Beirat in den vergangenen 20 Jahren an beinahe allen maßgeblichen Erneuerungen beteiligt gewesen sei. Unter anderem werden die kostenlose Fahrradmitnahme genannt, der Direktbus von Waiblingen nach Esslingen, der bargeldlose Zahlungsverkehr, das Echtzeitinformationssystem oder die Rauchverbote an Haltestellen.
Senioren kämpfen für bessere Barrierefreiheit
Werner Schüle vertritt den Stadtseniorenrat und war „von der ersten Stunde an dabei“, wie er sagt. Als persönlichen Erfolg betrachtet er, dass die Zeitgrenze fürs Seniorenticket abgeschafft wurde. „Senioren haben auch schon vor neun Uhr wichtige Dinge zu erledigen, zum Beispiel Enkel betreuen“, habe eines seiner Argumente gelautet. Er setze sich dafür ein, „dass die Preise nicht weiter unnötig erhöht werden“, die Zoneneinteilung „irgendwann bereinigt“ und die Barrierefreiheit verbessert wird. Alles sei „ein Bohren dicker Bretter“.
„Manchmal ist es ein bisschen frustrierend“
Darin stimmt er nicht nur mit dem Beiratssprecher überein, sondern auch mit Achim Hoffer, der für den Körperbehindertenverein im Gremium ist. Der Geschäftsführer sagt, man müsse in langen Perspektiven denken. „Manchmal ist es ein bisschen frustrierend.“ Doch mittlerweile würden die Betroffenen stärker und frühzeitiger in Planungen einbezogen. So kämen nach und nach auch Verbesserungen.
Bindeglied zwischen Kunden und Unternehmen
Zusammensetzung Zehn Verbände sind neben der Geschäftsführung des VVS im Fahrgastbeirat aktiv: Pro Bahn, Verkehrsclub Deutschland (VCD), Nabu, ADFC, Körperbehinderten-Verein Stuttgart, Autofrei Leben e.V., Stadtseniorenrat Stuttgart, BUND, die Lokale Agenda und der Jugendrat Stuttgart.
Querschnitt Die Verbände, deren Vertreter ehrenamtlich arbeiten und alle im VVS-Gebiet wohnen, stellen einen repräsentativen Querschnitt der unterschiedlichen Fahrgastgruppen dar. Sie fungieren als Bindeglied zwischen den Fahrgästen und der Verbundgesellschaft sowie den Verkehrsunternehmen in der Region Stuttgart. uro