Vorbereitungsklasse an der Grafenbergschule in Schorndorf mit Lehrerin Nicole Fischer. Foto: Uwe Roth

Vorbereitungsklasse für Flüchtlinge

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ZVW Uwe Roth 21.03.2017

Schorndorf. In den Schulen des Landkreises sind derzeit 1660 junge Flüchtlinge in Vorbereitungsklassen, in denen sie hauptsächlich die deutsche Sprache lernen. Damit seien die personellen und räumlichen Kapazitäten erreicht, heißt es beim Schulamt in Backnang. Was Lehrer leisten, zeigt ein Besuch der Grafenbergschule in Schorndorf.


Die 15 Schüler und eine Schülerin sind auf den ungewöhnlichen Besuch am Montag kurz vor der Mittagspause vorbereitet. Ihre Lehrerin Nicole Fischer hat vorsichtshalber einige Fragen vorbereitet, damit das angekündigte Gespräch mit dem Landrat, den Vertretern des Staatlichen Schulamts und den Medienvertretern in Gang kommt. Die jungen Erwachsenen kommen aus Syrien, Irak, Afghanistan, Mali und Gambia. Ein bunt gemischter Haufen, zwischen 16 und 20 Jahre alt.

Vorbereitungsklasse an der Grafenbergschule in Schorndorf mit Lehrerin Nicole Fischer. Foto: Uwe Roth
Vorbereitungsklasse an der Grafenbergschule in Schorndorf mit Lehrerin Nicole Fischer. Foto: Uwe Roth

Eine typische Flüchtlingsklasse. Deutsch verstehen, das klappt ganz gut. Die Fragen der Besucher in kurzen Sätzen zu beantworten, ist eher das Problem. Sie sind nicht schüchtern, keineswegs. Es wird in der Klasse viel gelacht. Aber die Hälfte von ihnen kam als völlige Analphabeten in die Vorbereitungsklasse; einige kannten nur die arabischen Schriftzeichen. Da ist es ein Problem, die Frage, wie einem der Unterricht gefällt, auf Deutsch verständlich auf den Punkt zu bringen. Untereinander wird Arabisch gesprochen. Auch wenn die dritte Unterrichtsregel lautet: „Wir sprechen Deutsch.“ Regel eins lautet im Übrigen: „Kein Kaugummi“, Regel zwei: „Keine Mütze.“

Meilenstein für die Integration

Die Frage, wo die Schüler ihre Zukunft sehen, wird von ihnen mit zwei Worten klargestellt: in Deutschland. Die Vorbereitungsklasse erfolgreich zu meistern, ist dafür ein Meilenstein. Denn die Leistungen am Ende des Schuljahrs entscheiden darüber, wie es auf ihrem Bildungsweg weitergeht. Die Grafenbergschule in Schorndorf ist eine berufliche Schule, in der zusammen mit den anderen Berufsschulen im Landkreis aktuell 450 Flüchtlinge ein sogenanntes „Vorbereitungsjahr Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse“ (Vabo) absolvieren. In den allgemeinen Schularten gibt es 73 Vorbereitungsklassen mit insgesamt 1210 Schülern. Auch zwei Gymnasien mit jeweils einer Klasse und zusammen 39 Schülern sind darunter.

„Während wir im März vergangenen Jahres mit der logistischen Herausforderung beschäftigt waren, möglichst zeitnah viele Schulplätze für Kinder aus Flüchtlingsfamilien bereitzustellen, konzentriert sich unsere Aufgabe heute auf die Gestaltung der Übergänge aus den Vorbereitungsklassen in die Regelklassen sowie in die berufliche Bildung“, sagt Sabine Hagenmüller-Gehring, Leiterin des Schulamts. Für die engere Zusammenarbeit ist zu Beginn des Schuljahrs die Koordinierungsstelle „Schulische Bildung von Kindern und Jugendlichen aus Flüchtlingsfamilien“ eingerichtet worden.

Lehrer bekommen nur Jahresverträge

Eine große Herausforderung bleibt für das Schulamt, qualifizierte Lehrer für die Vorbereitungsklassen zu finden. Wie Nicole Fischer sind auch andere Lehrer keine ausgebildeten Lehrer. Ihnen hat man die unschöne Bezeichnung „Nichterfüller“ gegeben. Was dies bedeutet, spüren die angelernten Lehrkräfte allein daran, dass ihr Arbeitsvertrag immer nur für ein Schuljahr gilt und sie hoffen müssen, im nächsten Schuljahr weiterbeschäftigt zu werden. Das Schulamt, so machten die Vertreter deutlich, setze alles darin, solche Kolleginnen und Kollegen weiter zu qualifizieren.

Dabei müssen die Lehrkräfte nicht allein didaktische Methoden beherrschen, sondern sich auch mit einer guten Portion Pädagogik und Autorität gegenüber den Schülern durchsetzen können. „Ich brauche schon sehr viel Geduld“, sagt Nicole Fischer. Afghanen zum Beispiel seien weibliche Lehrkräfte nicht gewohnt. Ihnen müsse beigebracht werden, dass Frauen selbstverständlich Lehrkraft sind und entsprechend den Respekt der Schüler erwarten können.

Landrat Richard Sigel betont nach dem Schulbesuch: „Insgesamt stehen wir mit dem Ziel einer gelingenden Integration weiterhin großen Herausforderungen gegenüber, auch wenn sich die Zahl der Neuankömmlinge stark verringert hat.“ Oftmals seien individuelle Lösungen erforderlich. Insgesamt sei den Schulen, Ehrenamtlichen sowie den Kommunen diese Aufgabe bisher „sehr gut geglückt“. Es bleibe zu wünschen, dass dieses Engagement auch in ressourcenknappen Zeiten erhalten bleibe, so der Landrat. „Als unterstützendes Angebot hat der Rems-Murr-Kreis hierzu einen Integrationsplan erstellt, der in Kürze vorgestellt wird.“