Südwest Presse, Autor: UWE ROTH, 24.05.2016
LUDWIGSBURG: In moderner Ampeltechnik steckt viel Potenzial zum Umwelt- und Lärmschutz. Doch oft sind die Anlagen veraltet. In Ludwigsburg wird aufgerüstet.
Dieter Müller öffnet die Tür des Schaltschranks und gibt den Blick frei auf ein Stück Technikgeschichte. Senkrecht montiert sind die mit Schaltkreisen bestückten Platinen. Oben rechts hängt ein beigefarbenes Telefon mit Wählscheibe. Alles wirkt nostalgisch. Der Servicetechniker zieht ein Wartungsheft hervor und zeigt auf das Datum des ersten Eintrags: 1986.
Ampeltechnik in Ludwigsburg wird modernisiert. Servicetechniker Dieter Müller zeigt das Wartungsheft. Foto: Uwe Roth
Der graue Schaltschrank steht folglich seit 30 Jahren an Ludwigsburgs meist befahrener Durchgangsstraße. Die Platinen steuern von dort die Rot- und Grünphasen der Ampeln nach einem festen Rhythmus. In den drei Jahrzehnten hat sich der Verkehr stark verändert. Heute quälen sich 70 000 bis 80 000 Fahrzeuge täglich auf der vierspurigen Bundesstraße 27 durch die Barockstadt. Kommt es zu Unfällen auf der nahen Autobahn 81, sorgt der Ausweichverkehr für zusätzliche Staus. Spätestens im Ausnahmezustand ist die alte Technik überfordert und der Verkehr staut sich scheinbar endlos, Nebenstraßen eingeschlossen.
Dieter Müller hat den Auftrag, die neuen Steuergeräte in die Schaltschränke einzubauen. Zusammen mit einem neuen Verkehrsrechner, der im Tiefbauamt stehen wird, soll die Technik geschmeidiger werden und lernen, auf das jeweilige Verkehrsaufkommen angemessen zu reagieren.
Da hinter jeder Ampelanlage ein solcher Schaltschrank steht, ist das ein ziemlicher Aufwand. Aktuell reicht das Budget von 86 0000 Euro für den Kauf des Verkehrsrechners und die Modernisierung von etwa 35 Anlagen. Im Stadtgebiet stehen davon aber 135. Der Autofahrer bekommt von der Aktion einiges mit: Die Ampeln werden während der Umstellung jeweils ein bis zwei Tage abgeschaltet und durch Provisorien ersetzt. Die Stadt verspricht, „die Verkehrsbehinderungen auf ein Mindestmaß zu beschränken und zu allen Zeiten einen bestmöglichen Verkehrsablauf zu gewährleisten“. Ende Oktober wird der neue Verkehrsrechner seinen 25 Jahre alten Vorgänger ablösen. Nach und nach sollen die Ampelabläufe wieder aufeinander abgestimmt werden.
Christoph Hubberten und Torsten Conte sind bei der Stadt für das Projekt verantwortlich. Gleich neben ihrem Büro steht in einem dunklen Raum der alte schrankgroße Rechner. „Das war damals Technik vom Feinsten“, sagt Verkehrstechniker Hubberten. Jede Ampel benötigt ein Steuergerät mit unterschiedlichen Programmen für Berufs-, Nacht- und Normalverkehr. Ohne einen zentralen Verkehrsrechner arbeitet sie jedoch unabhängig von den übrigen Ampelanlagen.
Die meisten Kommunen – von Großstädten wie Stuttgart abgesehen – verzichten aus Kostengründen auf einen solchen Zentralrechner. Ändert sich in einer Straße das Verkehrsaufkommen, kann die Kommune lediglich mit hohem Kostenaufwand darauf reagieren. Wie die Befragung einzelner Verwaltungen ergab, werden Ampeln höchstens alle fünf Jahre – wenn überhaupt – darauf überprüft, ob sie noch dem Bedarf gemäß geschaltet sind. Sind sie es nicht, sind Fußgänger und Autofahrer die Leidtragenden. Warten die Autos länger als nötig an einer roten Ampel, schadet das der Umwelt. Ein holpriger Verkehrsfluss verursacht zudem Lärm bremsender und beschleunigender Fahrzeuge.
In Ludwigsburg mit seiner besonders hohen Verkehrsdichte will man auf die Möglichkeit der Feinjustierung der Verkehrsflüsse nicht verzichten, und man setzt auf Rechner, die irgendwann in der Zukunft sogar direkt mit den Autos Informationen austauschen können. „Einen Quantensprung wird es erst einmal aber nicht geben“, wehren die Projektleiter Hoffnungen ab, von November an fließt der Verkehr so reibungslos wie nie zuvor.
„Der neue Rechner gibt uns die Möglichkeit, einzelne Anlagen zu optimieren und aufeinander abzustimmen“, erläutert er. Mit der alten Technik sei das sehr aufwendig und mit Kosten verbunden, da meistens ein externer Dienstleister eingeschaltet werden müsse. Die neue Software erlaube es, Schaltungen auf ihre mögliche Wirkung hin zu simulieren. „So können wir viel mehr ausprobieren“, sagt Hubberten. Was die Software jedoch nicht könne, sei, eine Überlastung der Straße einfach wegzaubern.
So sieht das auch Dieter Müller von der Firma Swarco in Unterensingen (Landkreis Esslingen). Das generell hohe Verkehrsaufkommen in der Region setze der Verkehrslenkung enge Grenzen. Aber auch Autofahrer, so beobachtet er, würden immer häufiger zum Störfaktor. „Ich beobachte, dass viele Autofahrer, wenn es Grün wird, erstmal ihr Smartphone weglegen und dann den ersten Gang einlegen müssen. Das kostet Zeit. Da muss man sich nicht wundern, wenn nur wenige Fahrzeuge bei Grün rüberkommen“, sagt er. Mit moderner Technik lasse sich dieses Problem jedenfalls nicht lösen.
Richtlinie für Ampelschaltungen
Rotphasen Wie lange eine Ampel Rot zeigen soll, ist in der „Richtlinie für Lichtsignalanlagen 2010“ geregelt.
Umlaufzeit Als Richtwerte für die Umlaufzeit gelten minimal 30 Sekunden, maximal 90 Umlaufzeit beträgt 120 Sekunden.
Grenzwert Die Mindestfreigabezeit darf fünf Sekunden nicht unterschreiten. Bei Fußgängern ist rechnerisch mindestens die halbe Furtlänge zurückgelegt werden kann. uro