ZVW Uwe Roth 28.05.2015
Frank Fahsel konnte in der Verhandlung am Dienstag noch so viel auf Meinungsfreiheit pochen, der Ausdruck „Sozialfaschistin“ ging der Richterin am Amtsgericht Waiblingen einen Schritt zu weit über das Grundrecht hinaus. Sie bestätigte einen Strafbefehl wegen Beleidigung gegen den pensionierten Richter und blieb bei der ursprünglich angesetzten Strafe von 30 Tagessätzen zu je 100 Euro.
Der Fellbacher hatte in einer E-Mail eine SPD-Stadträtin so bezeichnet und will nach seiner Aussage weiter behaupten, dass er die Kommunalpolitikerin im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung Sozialfaschistin genannt hat. Nach seiner juristischen Auffassung sei das legitim. Persönlich habe er die Frau nie beleidigen wollen, versicherte er. Deswegen legte er nach dem Urteil noch im Gerichtssaal Einspruch ein.
Richter a. D. Fahsel mag weder die Sozialdemokraten noch seinen eigenen Berufsstand. Das gibt der 75-Jährige gerne auch öffentlich kund. 2008 stellte er die Justiz derart an den Pranger, dass er gelegentlich bis heute zitiert wird, wenn Richter und Staatsanwälte der Korruption oder anderer Vergehen bezichtigt werden. Fahsel beschreibt sich als Ausgestoßener der „Schwaben-Justiz“ und nennt den Prozess vor dem Waiblinger Amtsgericht politisch motiviert und einen Rachefeldzug.
Dass eine junge Assessorenrichterin der Verhandlung vorsaß, war für ihn ein Beweis der Richtigkeit seiner Behauptung, an ihm solle ein Exempel statuiert werden. Der Richternachwuchs sei von übergeordneter Stelle beeinflussbar, da dieser die Karriere noch vor sich habe. Man habe ihm „aus den Justiz-Kulissen mitgeteilt“, wie er gegenüber unserer Zeitung mitteilt, dass diese Richterin ihn „in die Pfanne hauen wird“. Den Kopf der Verschwörung sieht der Angeklagte ganz an der Spitze des SPD-geführten Justizministeriums.
Das verblüffte wiederum die Richterin und auch der von ihm als gleichfalls befangen erklärte Staatsanwalt. Beide versicherten, vor der Verhandlung keinen Anruf aus dem Ministerium erhalten zu haben. Gleichwohl: Ihr pensionierter Kollege schaffte es, sie mit einer Vielzahl von Belegen und Zitaten aus ergangenen Urteilen zu verunsichern. Wie hart dürfen verbale Angriffe auf Politiker und Politikerinnen sein, um noch von dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt zu werden?
Fahsel verwies auf ein Urteil des Amtsgerichts Leipzig, laut dem eine Linke-Stadträtin freigesprochen wurde, die ein NPD-Ratsmitglied als Nazi tituliert hatte. In Augsburg habe der städtische Ordnungsreferent in einem Onlineforum der Rechtsbeugung bezichtigt werden dürfen, was vom Landgericht aber mit Verweis auf die Meinungsfreiheit ungesühnt geblieben sei. Der ganz große Fall ist für Fahsel aber die Beleidigungsklage der ehemaligen Landrätin Gabriele Pauli. Sie habe sich vergeblich gewehrt, als Fotos mit ihr und Latexhandschuhen veröffentlicht wurden.
Fahsel wollte das Gericht in seiner rechtlichen Würdigung auf den Begriff Sozialfaschistin in der Mail festnageln. Den Rest des Textes sollte es als irrelevant außen vorlassen. Richterin und Staatsanwalt ließen sich jedoch nicht darauf ein. Dass der Angeklagte in der Mail die akademische Ausbildung der SPD-Rätin herabgewürdigt habe, sei ebenfalls zu missbilligen, da es keinerlei Zusammenhänge mit den übrigen Vorwürfen gäbe. Das Gericht kommt zum Schluss: Fahsel habe die Frau „in völlig unzulässiger Weise beleidigt“. Für Fahsel ist der Weg zu nächsten Instanz frei. Bereits mitten in der Verhandlung sagte er: „Ich marschiere durch. Machen Sie Ihr Urteil.“