Trump schafft die Politik ab – seine Vorstellung von Effizienz

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Machen wir uns nichts vor, die Trumps dieser Welt sind die logische Konsequenz einer lang anhaltenden Entwicklung, die unsere Demokratie langsam aber sicher in die Selbstauflösung treibt. Letztlich bewirkt die Selbstauflösung die von Trump erhoffte Maximierung von Wirtschaftseffizienz. Das heißt nach der Ökonomie Ressourcen sparen, wo es nur geht, und Gewinne optimieren.

Eine der Ursachen für die Selbstauflösung der Demokratie ist der Lobbyismus. Statt den Einfluss der Wirtschaft auf die Politik zu bekämpfen, belässt es die Politik seit Jahrzehnten weitgehend bei unverbindlichen Appellen, es mit dem Lobbyismus bloß nicht zu übertreiben (als Student habe ich in den 1980er Jahren schon Referate dazu geschrieben). Schließlich wollen Politiker nach ihrer Karriere einen gut bezahlten Anschlussjob – gerne in der Wirtschaft. Die Abhängigkeit der Politik ist mittlerweile so groß, dass die Konzerne im Schatten der Parlamente nahezu durchregieren können (siehe VW, Deutsche Bank, Bayer etc.). Noch benötigen sie dazu als handelnde Personen die Politiker. Aber das muss ja nicht so bleiben.

Politiker als Marionette nicht länger nötig

In den USA, die unserer Demokratie schon immer ein, zwei Schritte voraus waren (manchmal im positiven, derzeit aber eindeutig im negativen Sinn), haben nun Wirtschaftsbosse die Konsequenz gezogen und sich direkt die politische Macht genommen. Jetzt ist die Wirtschaft Herrin im Weißen Haus. Politiker sind überflüssig geworden und werden als Marionette nicht länger benötigt. Damit erreicht die US-Wirtschaft noch schneller ihre Ziele. Das spart Zeit, Geld und ist hoch effizient.

Für Unternehmer hat das eine Logik, nach der sie vermeintlich sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ohne politische Widerstände befürchten zu müssen, entstehen Jobs nach Gutsherrenart, die ihnen in erster Linie dabei helfen, ihre Gewinne weiter wachsen zu lassen. In der Logik eines Trump ist das eine Win-Win-Situation. Hat je einer gefragt, ob die US-Industrie überhaupt ausreichend Fachkräfte für neue Produktionsbetriebe hat?

Desinteresse an der politischen Information

Eine andere Ursache, warum unsere Demokratie in die Knie geht, ist das Desinteresse vieler Bürger an der politischen Information. Sie haben schon so lange keine Nachrichten mehr verfolgt, dass sie das aktuelle politische Geschehen aus dem eigenen Verständnis heraus nicht mehr verstehen und in einen Zusammenhang bringen können. Die einen klinken sich komplett aus und wollen von Politik gar nichts mehr wissen, weil sie eh nur noch Bahnhof verstehen, die anderen setzen auf Menschen in Facebook, die die Politik an ihrer statt interpretieren und möglichst einfach (populistisch) erklären. Siehe AfD.

Und leider verfallen viele junge Menschen ins Apolitische. Wenn sie denn mal aufwachen (wie nach dem Brexit oder der Trump-Wahl), haben sie keinen blassen Schimmer, wie sie politisch dagegen steuern können, von klassischen Straßenprotesten mal abgesehen. Das ist insofern gefährlich, da Frust entsteht, wenn Proteste dauerhaft ohne Veränderungen oder Entgegenkommen seitens der Regierung bleiben, und in Gewalt ausarten kann.

Wozu dann noch Parlamentarismus?

Eine im Wesentlichen entpolitisierte Gesellschaft stellt die Legitimität von Parlamenten in Frage. Das gilt insbesondere dann, wenn Bürgerbeteiligung schwindende Wahlbeteiligung kompensieren soll. Hierbei sind uns die Briten einen Schritt voraus: Die Abstimmung über den EU-Ausstieg war gefühls- und nicht politisch orientiert. Nun hat das Britische Unterhaus den Austrittsverhandlungen der Regierung mit der EU zugestimmt – obwohl die Mehrheit der Abgeordneten, dem Brexit nicht zustimmt. Das war vor allem bei den Labor-Abgeordneten auffällig. Gegen besseres Wissen fühlten sich die Politiker dem Volkswillen verpflichtet. Wozu dann noch der Parlamentarismus?

Ein Parlament, dem die demokratische Legitimation der Bürger wegbricht, ist ineffizient und rechtfertigt nicht mehr seine Kosten. Es diskutiert und stimmt ab ohne mehrheitlichen Auftrag der Wähler. Es schwächt den Parlamentarismus – und diese Schwäche nutzen Autokratien wie Erdogan radikal aus. Sie schalten Parlamente so gut wie es geht aus und ersetzen es durch ein Präsidialsystem. Kein Laberparlament zwischen Gesetzentwurf und Umsetzung – das spart Zeit und Kosten und ist effizient.

Politische Bildung stärken

Dass die USA, die sich gerne als älteste Demokratie der Welt bezeichnen, als zweite Option zum Parlamentarismus schon immer ein Präsidialsystem pflegen, war mir – ehrlich gesagt – gar nicht bewusst.

Wir sollten nicht länger auf Trump, Erdogan etc. stieren, wie das Kaninchen auf die Schlange. Vielmehr sollte es darum gehen, die politische Bildung zu stärken. Ich war schon immer der Meinung, dass Journalisten einen bildungspolitischen Auftrag haben. Doch mehrheitlich war meine Meinung im Kollegenkreis nicht – im Gegenteil. Mir wurde gesagt, in erster Linie sei unser Auftrag zu informieren. Das habe nichts mit politischer Bildung zu tun. Vielleicht war ja dieser Denkansatz falsch.

Auf spiegel online heute ein Kommentar, der in die ähnliche Richtung geht

Aus dem Kinderreport 2017 (2.2.2017 veröffentlicht): „Nur rund zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland (64 Prozent) traut der heutigen Generation der Kinder und Jugendlichen zu, als Erwachsene Verantwortung für den Erhalt unserer Demokratie zu übernehmen.“ – Vielleicht tun wir Erwachsenen dem Nachwuchs ja unrecht. Zum Bericht (externer Link)