Bietigheimer Zeitung, Uwe Roth, 29.01.2019
Er wolle gewiss nicht Burgherr werden, hat der Landrat dem Tagesordnungspunkt vorsorglich vorausgeschickt. In seinem letzten Amtsjahr könnte Rainer Haas aber zumindest noch ein Burgvogt, also Verwalter, werden. In der jüngsten Kreistagssitzung ist heftig darüber debattiert worden, ob sich der Landkreis mit 300 000 Euro an einer Stiftung beteiligen soll, die die Burg Lichtenberg vor einem Privatverkauf retten könnte. Nach einem längeren Hin und Her stimmten am Freitag 56 Kreistagsmitglieder für eine Beteiligung, 24 waren dagegen und neun enthielten sich.
Die Mittelalterburg liegt auf der Gemarkung Oberstenfeld. Der dortige Gemeinderat hatte einen Tag zuvor ebenfalls mit sich gerungen, aber dann doch die Bereitschaft erklärt, trotz enger Finanzlage der Kommune, 175 000 Euro in die Stiftung einzubringen. Die Gemeinde erhofft sich mehr Tagesgäste, wenn die Burg einen Pächter bekommt, der die Räumlichkeiten die ganze Woche zugänglich macht und nicht nur an den Wochenenden oder bei Abwesenheit des Burgherren. Dritter im Stiftungsbund wird die Kreissparkasse (KSK) mit zwei Millionen Euro aus ihrem Fonds Kunst, Kultur und Bildung. Die drei Kastellane (Burgaufseher) in dem zu bildenden Stiftungsrat werden der Landrat, der Bürgermeister und ein KSK-Vorstand.
„Sie ist die am besten erhaltene Stauferburg nördlich der Alpen.“
Landrat Rainer haas
Ein Burgführer hätte die historische Bedeutung des 800 Jahre alten Stiftungsgegenstands nicht besser veranschaulichen können: „Die Burg Lichtenberg ist etwas ganz Besonderes“, schwärmte der Landrat seinen Kreistagsmitgliedern vor. „Sie ist die am besten erhaltene Stauferburg nördlich der Alpen.“ Haas bettete seine Begründung in beachtliches Geschichtswissen ein, garniert mit lateinischen Zitaten. Graf Eberhard im Bart, somit niemand geringerer als der Stammvater Württembergs, habe 1483 die Burg als Lehen an die Familie von und zu Weiler übergeben. Dietrich von Weiler war damals Landhofmeister. Unter anderem kam es unter seiner Federführung zur Gründung der Universität Tübingen.
Seine Nachfahren wohnen 500 Jahre später immer noch in der Burg. Baron Dietrich Burkhardt von und zu Weiler ist inzwischen 87 Jahre alt. Burgherr zu sein, wird für ihn altersbedingt zu einer wachsenden Belastung. Um den Unterhalt zu finanzieren, können der Rittersaal, die Burgkappelle, eine Galerie und der Burghof von Firmen und Privatpersonen angemietet werden. Auf der Internetseite wird ein Rundumservice versprochen („Sie feiern – Wir kümmern uns um den Rest“). Seine Kinder wollten die Aufgabe zu seinem Bedauern nicht übernehmen, so von und zu Weiler. An eine Privatperson wolle er ungern verkaufen, erst recht nicht an einen russischen Oligarchen. So schilderte der Landrat dem Kreistag die Vorgeschichte zum Tagesordnungspunkt. Haas unterlief dabei aber ein taktischer Fehler. Er berichtete, dass er mit dem Burgherrn schon seit sechs Jahren immer mal wieder darüber gesprochen habe, wie es mit dem Anwesen weitergehen solle.
Kritik an später Information
Prompt erwiderte CDU-Kreisrat Klaus Herrmann, dass über diesen langen Zeitraum „der eine oder andere Hinweis vom Landrat nett gewesen wäre“. So aber sei der Kreistag vom Vorschlag einigermaßen überrascht worden. Ohne die Burg in Augenschein genommen zu haben, könne er nicht beurteilen, in welchem Zustand diese sei und ob zu einem späteren Zustand nicht weitere Finanzspritzen notwendig würden. So eindrucksvoll die Burg auch sei – „im Landkreis gibt es noch andere Juwelen.“
Ähnlich argumentierte die SPD: Jürgen Kessing sprach angesichts einer fehlenden Vorberatung, magerer Datenlage sowie der Erwartung, dass der Kreistag dennoch zustimme, von einem „sportlichen Akt, den man vom Gremium erwartet“. Eigentlich sei das Land gefordert. Er fürchte „ein Fass ohne Boden“. Um ihn und weitere Kreisräte zu beruhigen, nahm der Landrat Formulierungen in die Beschlussvorlage auf. Die sollen sicherstellen, dass über die 300 000 Euro hinaus der Landkreis keine finanzielle Verantwortung übernimmt.