Bietigheimer Zeitung Uwe Roth 11.09.2017
Am gestrigen Sonntag waren einige sonst nicht zugängliche Gebäude für Besucher begehbar. Das Gebäude des heutigen Lichtenstern-Gymnasiums etwa vollzog einen Wandel in seiner Nutzung.
„Macht und Pracht“ lautete das bundesweite Motto des gestrigen Tags des offenen Denkmals. Allein im Landkreis Ludwigsburg waren am Sonntag 45 historische Gebäude zugänglich, die üblicherweise Besuchern nicht offen stehen. Das Motto bezog sich laut der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Bonn auf Denkmale, bundesweit waren es 7500, die weltliche und religiöse Machtverhältnisse abbilden: prächtige Schlösser, mächtige Kirchen, Patrizierhäuser mit aufwendigem Bauschmuck oder große historische Fabrikhallen.
Das Lichtensterngymnasium an der Ludwigsburger Straße in Sachsenheim ist ein Hingucker und damit ein Zeichen von Pracht. Es ist wochentags begehbar, auch wenn man kein Schüler ist. Aber es erschließt sich nicht, warum das Gebäude so monumental ist. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Sachsenheim nicht unbedingt die Ortsgröße, die einen solchen Bau gerechtfertigt hätte. Und wer leistete sich zu dieser Zeit eine so ausgedehnte Parkanlage?
Wechselhafte Geschichte
In zwei Führungen konnten sich Interessierte am gestrigen Denkmaltag schlau machen. Schulleiter Reinhart Gronbach und Hermann Albrecht vom Verein für Heimatgeschichte Sachsenheim gaben Einblicke in die wechselhafte Geschichte des 1913 fertiggestellten Gebäudes. Architekt war Regierungsbaumeister Hugo Schlösser, der zur gleichen Zeit in einer Stuttgarter Höhenlage die Villa Reitzenstein baute, die heute Sitz der Landesregierung ist. Der barocke Baustil mit dem Mansarddach als Blickfang sollte wohl denen gefallen, die das Geld zum Bau gaben: Mitglieder des Württembergischen Vereins für wirtschaftliche Frauenschulen auf dem Lande. 1908 gegründet, hatte der Verein bald das Geld für den Schulbau zusammen.
Treibende Kräfte waren adelige Frauen, die es leid waren, von ihren Männern vollständig abhängig zu sein, da sie in ihrer Jugend nichts Praktisches lernen durften – nicht einmal die Führung eines großen Haushalts. Es war die Zeit, als Frauen um ihr Wahlrecht kämpften. In der Frauenschule erhielten sie eine umfassende Bildung. Die Flächen rund um die Schule wurden landwirtschaftlich genutzt und von den Schülerinnen nach Anleitung beackert. Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigten junge Frauen zunehmend weniger Interesse an einer solchen Ausbildung, zumal der Besuch einer staatlichen Schule kostenlos war.
Einzug des Lichtensterngymnasiums
Der Trägerverein bekam Finanzprobleme. 1954 erwarb schließlich die evangelische Landeskirche Württemberg das Gebäude: das Lichtenstern-Gymnasium zog ein. Die landwirtschaftlichen Flächen wurden als Park oder für Erweiterungsbauten genutzt.
Am Tag des Denkmals gehörte das Lichtenstern-Gymnasium zu den jüngeren Gebäuden, die im Landkreis für einige Stunden zugänglich waren. Auch in Markgröningen gab es ein Schulgebäude mit einer interessanten Geschichte zu besichtigen: Das Helene-Lange-Gymnasium hat bauliche Wurzeln, die bis ins 13. Jahrhundert reichen. Die Altstadt von Besigheim wiederum ist ein Gesamtdenkmal, und entsprechend viele Besichtigungsangebote gab es. In Ludwigsburg erregte vor allem das Haus der Freimaurer Interesse, deren Geschichte geheimnisumwittert ist. Der Treffpunkt war 1887 im neugotischen Stil von der Freimaurerloge Johannes für die freimaurerische Arbeit erbaut worden.
Im ersten Obergeschoss befindet sich der Saal für die rituellen Treffen der Freimaurer, die dort heute noch regelmäßig stattfinden und sich für Brüderlichkeit, Humanität und Toleranz einsetzen. Die Loge ist in Ludwigsburg der zweitälteste Verein.