Streit um die Kirchturmsuhr

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SWP Uwe Roth 16.05.2017

Stuttgart will seinen Beitrag zum Erhalt von Kirchtürmen kürzen. Die Evangelische Gemeinde droht mit Klage. Andere Kommunen haben ihren Kostenanteil längst gesenkt.    

Erst vor Kurzem stritten sich die Stadt Stuttgart und die Evangelische Kirchengemeinde vor Gericht um die Aufteilung der Kosten bei der Gehwegsreinigung. Jetzt bahnt sich ein neuer Zwist an: Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) hat der Evangelischen Kirchengemeinde mitgeteilt, die Stadt werde sich künftig nur noch mit 25 Prozent an den Kosten zum Erhalt der Kirchtürme beteiligen. Derzeit liegt der kommunale Anteil für die Kirchen in den Außenbezirken bei der Kostenhälfte. Für die innerstädtischen Sakraltürme bestehen individuelle Vereinbarungen, die teilweise über 50 Prozent liegen.

Fölls Ansage ist auf der Gegenseite freilich auf wenig Jubel gestoßen: Der Kirchenkreisausschuss hat bereits angekündigt, sich juristisch zu wehren, sollte die Stadtverwaltung nicht mindestens 30 Prozent zusichern. Verhärten sich die Fronten, träfen sich städtische und kirchliche Vertreter erneut vor dem Verwaltungsgericht.

Bestimmungen nach einem Gesetz aus dem 19. Jahrhundert

Während das Kehren vor den Kirchentüren über eine städtische Satzung geregelt ist, steht die kommunale Beteiligung am Erhalt der Türme, Kirchenuhren und -glocken im Zusammenhang mit dem Württembergischen Kirchengemeindegesetz vom 14. Juni 1887. Die Kirchtürme hatten in der Vergangenheit zahlreiche weltliche Aufgaben zu erfüllen: Sie gaben Orientierung und die Zeit vor. Die Glocken läuteten nicht nur vor Gottesdiensten, sondern ebenso im Alarmfall. Wegen der hohen Bedeutung wurde der kommunale Anteil auf der Grundlage dieses Gesetzes auf über 80 Prozent festgelegt.

Die Bestimmungen gelten im Wesentlichen bist heute. Gingen an der Fils (Landkreis Göppingen) war 2012 die erste Gemeinde, die die Rechtmäßigkeit überprüfen ließ. Nach einer ersten Schlappe vor dem Verwaltungsgericht, bestätigte der Verwaltungsgerichtshof in der nächsten Instanz den Bedeutungsverlust der Kirchtürme und legte die „angemessene Beteiligung“ bei einem Drittel der Kosten fest, demnach eine Verringerung um etwa die Hälfte. Die Evangelische Kirchengemeinde erwartet von der Stadt Stuttgart, dass sie sich zumindest an diesem Gerichtsurteil orientiert. So steht die Sanierung des Kirchturms der Petrusgemeinde in Gablenberg mit Kosten in Höhe von 800 000 Euro an. Dabei käme es auf jeden Euro Zuschuss an.

Waiblingen zeigt sich großzügig

Schaut man ins Umland der Landeshauptstadt, stellt man fest, dass die Kommunen mit den Kirchengemeinden sehr unterschiedliche Regelungen getroffen haben: Großzügig zeigt sich die Stadt Waiblingen. Für Sanierungen am Turm übernimmt die Stadt nach Auskunft einer Sprecherin „üblicherweise 50 Prozent der Kosten, am Geläut 20 Prozent sowie an der Kirchenuhr 70 Prozent“. Für das Kirchenschiff seien die Gemeinden hingegen alleinverantwortlich. „Die Kirchen sind sich bewusst, dass die Stadt hohe Sätze angelegt hat“, nennt sie als Begründung, warum eine Debatte wie in Stuttgart in Waiblingen kein Thema ist. Auch in Ludwigsburg werden die Erhaltungskosten der Kirchtürme zur Hälfte von der Stadt übernommen. Aus dem Rathaus heißt es allerdings zu den möglichen Konsequenzen aus dem Urteil: Eine „mögliche Erhöhung des kirchlichen Beitrags“ sei „bis zum Februar 2018 zurückgestellt“.

In Sindelfingen wird nicht zwischen Kirchturm und Kirchenschiff unterschieden. Die Stadt „gewährt auf Antrag eine Freigiebigkeitsleistung in Höhe von zehn Prozent für die Renovierung von Kirchengebäuden oder Gemeindehäusern“, teilt eine Rathaussprecherin mit. Bei Beträgen über 10 000 Euro sei ein Beschluss des zuständigen Gremiums des Gemeinderats erforderlich. Im laufenden Jahr stehen dafür (Gemeindehäuser eingeschlossen) 50 800 Euro im Haushalt zur Verfügung.

„Zuschusspraxis wird diskutiert“

Andere Kirchen in der Region dürfen von der weltlichen Gemeinde nicht viel erwarten. Die evangelische Kirche in Böblingen muss mit einem jährlichen Festbetrag von 148,28 Euro auskommen. Die Partnergemeinde in Dagersheim erhält zwar noch die 50 Prozent, doch „die Zuschusspraxis wird diskutiert“, teilt die Stadtverwaltung mit.

Manchmal sind die Beträge symbolischer Art: In Metterzimmern, ein Stadtteil von Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg), gibt es im Jahr 25,56 Euro für die Unterhaltung der Turm­uhr und Glocke sowie 110,49 Euro als Anteil für das Mesnergehalt. Die Stadt Esslingen hat sich des Kofinanzierungsproblems komplett entledigt und laut Auskunft des Presseamts die Beteiligungen an den Unterhaltslasten von Kirchturm, Uhr und Glocken, die gegenüber den Evangelischen Kirchengemeinden Berkheim und Zell bestanden, 2015 beendet.