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SWP Uwe Roth  

Die Stadt Stuttgart hat ihre Freier-Kampagne gestartet. Männer sollen für die Situation von Armuts- und Zwangsprostituierten sensibilisiert werden.

Seit Dienstag hängen die Plakate überall in der Stadt. Der prominenteste Standort ist die riesige Videowand auf dem Pragsattel. „Kondome benutzt man, Frauen nicht“, so lautet ein Satz der neuen Freier-Kampagne der Stadt Stuttgart, „Willst Du der Mann ihrer Albträume sein?“ ein anderer von insgesamt vier. Sprüche im Klartext sollen Männer, die über einen Besuch bei einer Prostituierten nachdenken, zum Nachdenken anregen.

Auf aufreizende Bilder sei bei der Gestaltung bewusst verzichtet worden, betont der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn am Montag bei der Präsentation der Kampagne im Rathaus. Der Versuchung, das Bild einer bedauernswerten, zugleich aber wenig bekleideten Prostituierten aufs Plakat zu bringen, habe man widerstanden. Die größte Herausforderung sei stattdessen gewesen, eine passende Ansprache zu finden, die in den Köpfen der Freier Wirkung zeigt.

Die Macher der Kampagne setzen auf die Wirkung deutlicher Worte. OB Kuhn spricht sie beispielhaft laut vor: „Die Würde des Menschen ist auch beim Ficken unantastbar.“ Das Wort „Ficken“ vernuschelt der Oberbürgermeister dabei ein wenig. Die leichte Verlegenheit zeigt, auf welches Neuland sich die Stadtverwaltung begibt und wie gespannt man aber auch auf die Reaktionen ist. „Die Prostitution als Ganzes stoppen, geht nicht“, sagt Kuhn, daher richtet sich die Aktion im Kern gegen Zwangs- und Armutsprostitution, von der insbesondere das Leonhardsviertel, der größte Rotlichtbezirk der Stadt, geprägt sei. Stuttgart soll nach seinen Worten eine Stadt sein, in der diese „geächtet wird“. Dabei stehe die Achtung der Menschenwürde im Mittelpunkt. Die Plakatsprüche sollen „ein Denkanstoß“ sein: „Leute überlegt, was ihr auslöst, wenn ihr euch würdelos benehmt.“ Mit „Leuten“ meint Kuhn Männer aller sozialen und Bildungsschichten, egal ob sie bereits als Freier unterwegs sind oder sich den Gang zu einer Prostituierten nur überlegt haben. Die Freier-Kampagne ist Teil des Konzepts zur Verbesserung der Situation der Prostituierten in Stuttgarts Altstadt, das Kuhn Ende 2014 vorgestellt hatte. Sie wurde von einer Stuttgarter Werbeagentur entworfen. Die Plakate hängen – mit Unterbrechungen – bis etwa Ende Mai. Insgesamt sind bis zu 260 City-Lights, rund 20 Großflächen und etwa 150 Gehwegabschrankungen im Stuttgarter Stadtgebiet belegt.

Dazu gibt es ein Begleitprogramm: Vertreter der Stadt und der Polizei werden am 29. April und 13. Mai zwischen 16 und 17 Uhr im Café La Strada im Leonhardsviertel sein, um über das Thema Prostitution zu sprechen. Parallel wird die Kampagne unter der Adresse www.stuttgart-sagt-stopp.de im Internet geführt. Nach Angaben von Kuhn kostet die Aktion insgesamt 125.000 Euro.

Sabine Constabel ist in der Stadtverwaltung auf die Betreuung von Prostituierten spezialisiert. Nach ihren Angaben arbeiten aktuell in Stuttgart etwa 600 Prostituierte. Über 90 Prozent seien Ausländerinnen, die meisten von ihnen kämen aus Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Die jungen Frauen sprächen kein Deutsch, könnten mit ihren Freiern folglich nicht verhandeln. „Diese Prostituierten haben keine Wahl, der Freier hingegen schon.“ Die Kampagne richtet sich nach ihren Worten auch gegen die Marketingstrategie der Prostituiertenindustrie. Diese verkaufe ihre Dienstleistungen neuerdings als Wellnessangebote, die von Sexarbeiterinnen ausgeführt würden.

Der Landesfrauenrat hat die Kampagne einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa zufolge begrüßt. „Die Richtung stimmt“, sagte die Vorsitzende des Dachverbands, Manuela Rukavina. Den Fokus auf die Freier zu lenken, sei der richtige Ansatz. Die Frauen dürften nicht kriminalisiert werden. Es müsse eine gesellschaftliche Diskussion in Gang kommen, da Prostitution immer hoffähiger und als „Wellness für den Mann“ verklärt werde. Der Kauf von Sex müsse hierzulande verboten werden. Die Bundesregierung habe derzeit so laxe Gesetze, dass die Republik als „Puff Europas“ fungiere, so die Vorsitzende.

Freiheitsstrafen und Geldbußen beschlossen

Gesetzesverschärfung Das Bundeskabinett hat vor Kurzem einen Gesetzentwurf verabschiedet, nach dem Freier von Zwangsprostituierten künftig mit Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren rechnen müssen. Die Strafandrohung gilt für Fälle, in denen die persönliche oder wirtschaftliche Zwangslage oder die Hilflosigkeit einer Person ausgenutzt wird. Zuhältern von Zwangsprostituierten drohen demnach Strafen von bis zu zehn Jahren. So soll eine EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels umgesetzt werden.

Geldbußen Vorgesehen ist überdies eine Kondompflicht. Sanktioniert werden können Verstöße dem Entwurf zufolge mit Geldbußen von bis zu 50.000 Euro. Die Kontrolle ist jedoch schwierig. Zudem brauchen Betreiber eine Erlaubnis für ein Bordell oder ähnliche Einrichtungen. Sie müssen ein Konzept vorlegen und ihre Zuverlässigkeit prüfen lassen. Unter anderem Hygienestandards sollen, so der Plan, vorgeschrieben werden.