Silvester: Stress für manche Tiere

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ZVW Uwe Roth 27.12.2016

Winnenden/Leutenbach. Hundebesitzer sehen der Silvesternacht mit Grauen entgegen. Das Zischen der Raketen scheint für die Tiere das Schlimmste zu sein, was ihre Ohren belasten kann. Manche geraten in Panik. Tierärzte raten dennoch zur Gelassenheit. In der Ruhe des Besitzers liegt die Kraft, die sich auf den Vierbeiner überträgt. Doch manchmal helfen nur Medikamente.


Tierarzt Tim Vetter aus Leutenbach ist jedes Jahr aufs Neue mit der bangen Frage nervöser Herrchen und Frauchen konfrontiert: Was tun mit einem vor Panik schlotternden Hund, wenn sich am 31. Dezember Mitternacht und damit der Höhepunkt der Silvesterknallerei nähert? Weil es den ultimativen Ratschlag nicht gibt, sagt er auf Anfrage der Zeitung: „Einfach die Biege machen.“ Soll heißen: Wer seinem Hund jeglichen Stress ersparen will, muss Silvester und am besten noch den Tag davor an einem Ort verbringen, zu dem die Böllerei nicht durchdringt.

Der Tierarzt betont aber zugleich, dass es für die Flucht in die Stille weniger aufwendige Alternativen gibt, ohne gegen das Tierwohl zu verstoßen. „Hunde halten was aus und beruhigen sich auch wieder“, sagt er. Auf keinen Fall sollte man Hunde aber allein in der Wohnung lassen. Genauso falsch sei es jedoch auch, Tiere an diesen Tagen nach jedem Knall fürsorglich beruhigen zu wollen. „Das funktioniert nicht.“ Rede man mit sorgenvoller Stimme auf den Hund ein, erreiche man im schlechtesten Fall genau das Gegenteil, weil der Tonfall dem Vierbeiner signalisiere, „jetzt muss etwas Dramatisches passieren“.

Das Tier ins ruhigste Zimmer lassen und laute Musik spielen

Der Veterinär sieht die bessere Lösung darin, „die Angst zu ignorieren und den Hund einfach machen lassen“. In ihrer Angst kriechen viele unters Bett oder Sofa und verharren in der hintersten Ecke. Für den Besitzer heißt das, dem geliebten Tier nicht auf allen Vieren mit einem Schleckerli hinterherrobben und ihn aus seinem Versteck zu locken. Stattdessen sei es besser, ihm das ruhigste Zimmer anzubieten (das kann das Bad sein) und laute Musik spielen zu lassen.

Erfahrene Hundebesitzer wissen, dass sich die Ruhe, die sie ausstrahlen, auf ihr Tier überträgt. Werden Herrchen und Frauchen nervös, werden es Luna und Balu (die beliebtesten Hundenamen) in der Regel auch. Sind Hundebesitzer überzeugt, dass ihr Liebling in der Silvesternacht regelmäßig vor dem Infarkt steht, ist ein Tierarztbesuch anzuraten. „Es gibt mittlerweile einige Medikamente auf dem Markt“, so Tim Vetter. „Die Medikamente wirken allerdings nicht so arg lang.“ Er empfiehlt – nach Absprache mit dem Tierarzt – die Einnahme zwischen vier und zwei Stunden vor dem Feuerwerk. Es müsse aber nicht unbedingt harte Medizin sein, manchmal reichten auch Bachblüten aus der Homöopathie.

„Hunde nicht betütteln“

Kann ein einzelner Hund eine Familie in der Silvesternacht in Atem halten, was ist dann erst in einem Tierheim los? Die Leiterin des Winnender Tierheims, Dagmar Deuschle, betont, in den Krisenstunden zum Jahreswechsel sei selbstverständlich jemand vor Ort. „Die Tiere müssen einen Menschen um sich haben“, stellt sie fest, betont aber auch wie der Tierarzt: „Man darf die Hunde aber auch nicht betütteln.“ Hundebesitzer sollten sich „möglichst normal verhalten, Sicherheit geben.“ Wenn Medikamente verabreicht werden, dann kommen für die Tierheimleiterin nur Bachblüten infrage.

Experten rätseln, warum gerade Hunde egal welcher Rasse auf die Silvesterknallerei so allergisch reagieren. Tierarzt Vetter hat auch keine Erklärung. Der Jagdhund seiner Eltern reagiere völlig gelassen auf Schüsse aus einem Jagdgewehr, schildert er, er sei schussfest. In der Silvesternacht reagiere der Hund wie alle untrainierten auch dagegen mit nackter Angst.

Tierarzt Vetter vermutet, dass es mit dem Zischen der Silvesterböller zusammenhängt. Insgesamt seien Hunde zur Jahreswende die einzigen Angstpatienten. Von panischen Käfigtieren wie Kaninchen oder Meerschweinchen habe er noch nicht gehört. Und Katzen, die stecken die ganze Aufregung sowieso weg. Die brauchen keine coolen Besitzer, um selbst völlig cool zu sein.