Bildquelle: Polizei Baden-Württemberg

Sicherheitskonzeption Stuttgart: So viele Polizisten wie möglich auf die Straße

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SWP Uwe Roth 06.02.2017

Seit einem Jahr schickt Stuttgarts Polizeipräsident verstärkt Kräfte in der City auf Streife. Das ist in der Sicherheitskonzeption der Stadt so festgelegt. Bezirksbeiräte befürchten mangelnde Präsenz in Randgebieten.

Um verunsicherte Bezirksbeiräte zu beruhigen, ist der Polizeipräsident derzeit persönlich im Außeneinsatz: Vor einigen Tagen war Franz Lutz in Untertürkheim, um in der Sitzung des Bezirksbeirats über „Organisationsmaßnahmen Revierstationen/ Polizeistationen in Stuttgart“ zu sprechen, so der Tagesordnungspunkt 2. Der Polizeichef hatte den Untertürkheimern als jüngste Maßnahme mitzuteilen, dass der Revierposten künftig zwischen 20 und sechs Uhr geschlossen ist.

Lutz versuchte zu beruhigen. Die Auswirkungen seien weniger schlimm, als sie sich eventuell anhörten. Nachts sei der Posten lediglich mit einem Beamten besetzt. Dieser sei im Wesentlichen dazu da, Anzeigen persönlich entgegenzunehmen. Seinen Schreibtisch dürfe der Polizist nicht verlassen, betonte Lutz – auch dann nicht, sollte direkt vor der Tür ein Unfall passieren. In so einem Fall kämen Kollegen vom Revier im Stuttgarter Osten zum Einsatz.

Nachts auf Posten kein Verkehr

Zudem habe die Auswertung der Statistik ergeben, dass der Posten in den Nachtstunden so gut wie nie Besuch bekomme. Beides zusammen betrachtet habe zur Erkenntnis geführt, es sei effizienter, den Beamten nicht tatenlos am Schreibtisch auf das Ende seiner Schicht warten zu lassen, sondern ihn mit anderen Kollegen auf nächtliche Streife zu schicken. „An der Polizeipräsenz auf den Straßen von Untertürkheim ändert sich nichts“, versicherte Lutz. Die Bezirksbeiräte zeigten sich mit dieser Aussage einigermaßen zufriedengestellt. In Obertürkheim und Degerloch hatte der Polizeipräsident die gleiche Nachricht vor ähnlich besorgten Bezirksbeiräten zu verkündigen.

Derartige Meldungen sind in den Stuttgarter Stadtteilen doppelt heikel. Zum einen wird eine Diskussion darüber angestoßen, ob Bürgern Abstriche an der öffentlichen Sicherheit zugemutet werden. Zum anderen wird schnell die Frage gestellt, ob die Innenstadt (mal wieder) bevorzugt behandelt wird. Denn zeitgleich zu den Ankündigungen des Polizeipräsidenten in den Bezirken, hat Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Martin Schairer eine positive Bilanz der „Initiative Sicherheitskonzeption Stuttgart“ (SKS) gezogen, die vor einem Jahr gestartet worden ist. Seit Januar 2016 gehen Polizei und Städtischer Vollzugsdienst gemeinsam in Gruppenstärke zu Fuß auf Streife. „Die objektive Sicherheitslage hat sich genauso verbessert wie das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger“, stellt Schairer fest. Das hätten „zahlreiche positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung“ gezeigt.

Nach Mitteilung der Polizei waren und sind insbesondere an den Wochenenden bis zu 100 Beamte zusätzlich als Interventionskräfte im Einsatz. Sie kontrollieren vor allem neben der Klettpassage die untere Königsstraße, den Oberen Schlossgarten, den Mailänder Platz, den Rotebühlplatz und den Berliner Platz. „Bei aktuellen Anlässen“ seien die offen und verdeckt arbeitenden SKS-Interventionskräfte auch in den Außenbezirken unterwegs, wie die Polizei betont.

Insgesamt überprüften und kontrollierten die Einsatzkräfte im ersten Jahr mehr als 36 000 Personen. Nach Polizeiangaben wurden dabei rund 2000 Straftaten sowie mehr als 1000 Ordnungswidrigkeiten aufgedeckt und gegebenenfalls angezeigt. 284 Menschen seien bei Kontrollen in Gewahrsam oder festgenommen worden. Es habe über 3000 Platzverweise gegeben.

In vielen Fällen notierten die Beamten Eigentums-, Rauschgift- und Gewaltdelikte sowie unerlaubtes Betteln. Insbesondere in den Sommermonaten hätten sich viele Passanten über Bettler vor allem aus Osteuropa beschwert. Nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin seien auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt die Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden. An den Eingangsportalen des Marktes standen Beamte mit Maschinengewehren.

Konzept soll fortgeführt werden

Aufgrund der Erfolge und positiven Rückmeldungen wollen Polizei und Stadt das Konzept fortführen. Polizeipräsident Lutz sieht das Ziel darin, „ein Maximum an Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung zu generieren“. Dafür sollen so viele Beamte wie möglich weg vom Schreibtisch und auf die Straße – zu Fuß oder im Streifenwagen. Davon profitiere nicht nur die Innenstadt, sondern auch die Bewohner der Außenbezirke, ist er überzeugt.

„Videoüberwachung verhindert keine Straftaten“

Skepsis Geht es um das Thema Sicherheit, kommt auch immer wieder die Forderung nach mehr Videoüberwachung. In Stuttgart setzte die Polizei beispielsweise an Silvester auch auf Kameraaufzeichnungen. Der neue Datenschutzbeauftragte des Landes, Stefan Brink, sieht eine Ausweitung der Videoüberwachung für ein besseres Sicherheitsgefühl der Bevölkerung indes eher skeptisch. Die Gleichung, mehr Videoüberwachung führe zu mehr Sicherheit, werde aus verschiedenen Gründen nicht aufgehen.

Abschreckung Mit dem Aufstellen von Kameras könnten zwar Erfolge bei der Aufklärung und gewisse Abschreckungseffekte erzielt werden. „Zu einer Verhinderung von Gefahrenlagen und Straftaten führt dies allerdings nicht, gerade auch nicht bei terroristisch motivierter Kriminalität“, ist Datenschutzbeauftragter Brink überzeugt. uro