ZVW Uwe Roth 26.10.2016
Ausbau des Breitbandnetzes soll schneller vorangehen, wenn die Kommunen die Sache selbst in die Hand nehmen
Waiblingen. Der Verband Region Stuttgart wird den Ausbau des Breitbandnetzes selbst in die Hand nehmen und dazu eine Anstalt öffentlichen Rechts gründen, an der der Landkreis beteiligt sein wird. Die Kooperation soll sicherstellen, dass kleinere Kommunen Anschluss ans schnelle Internet bekommen.
Beim Strom ist es Standard: Jede Kommune ist an ein Mittelspannungsnetz eines großen Versorgers angeschlossen. Übers Ortsnetz werden die Haushalte und das Gewerbe mit Energie versorgt. Überall kommt Strom gleich schnell, gleich stark aus der Steckdose. Die Versorgung ist in ländlichen Regionen genauso gesichert wie in den Städten. Dieser Standard ist beim Internet lange jedoch noch nicht erreicht. Gerade zu und aus den Dörfern fließen die Datenströme im Kriechgang. Im Kreis gelten aktuell 23 der insgesamt 31 Kommunen beziehungsweise Ortsteile als unterversorgt.
Die Deutsche Telekom ist fleißig dabei, ihr modernes Glasfasernetz auszubauen. Doch es wird solche Gegenden nie erreichen, in denen der mächtige Netzbetreiber zu wenige Kunden vermutet. Mindestens elf Kommunen im Gebiet des Schwäbischen Walds werden mangels Interesse der Telekom dauerhaft Zonenrandgebiet fürs schnelle Internet bleiben, sollte keine alternative Lösung gefunden werden. Der Kreis hätte damit die meisten benachteiligten Kommunen in der Region. Benachteiligt wären nicht allein die Privathaushalte, sondern auch die Kommunen, die wegen der fehlenden IT-Infrastruktur keine neuen Gewerbegebiete ausweisen könnten oder mit einer Abwanderungen rechnen müssten.
Dieser Überzeugung ist Jürgen Anders, Professor für „Digitale Infrastrukturen im ländlichen Raum“ an der Hochschule Furtwangen. Er berichtete im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistags über die Strategie, die er dem Verband Region Stuttgart (VRS) als möglichen Weg aus der Misere vorgeschlagen hat. Die Alternativlösung sieht für den Professor so aus, dass der VRS selbst in den Ausbau einer sogenannten Backbone-Infrastruktur (entspricht dem Mittelspannungsnetz beim Strom) investiert, die bis an die Kommunen heranreicht. Fürs lokale Netz wären diese im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung zuständig. „Die Region liefert die Steckdose, die Kommunen müssen für den Stecker sorgen“, sagte dazu Anders in der Sitzung. Darüber entscheide jede Kommune selbst.
Dazu schlägt er die Gründung einer selbstständigen Kommunalanstalt des öffentlichen Rechts (AöR) vor. Daran beteiligt sind die fünf Landkreise der Region, die Landeshauptstadt und der VRS. Die AöR bekommt eine Geschäftsstelle, wird Bauherrin und Besitzerin des Backbone-Netzes, doch nicht Betreiberin. Die Leitungen werden verpachtet – beispielsweise an die Deutsche Telekom. Der Landkreis muss die Stelle eines Kreiskoordinators finanzieren. Über die Pachteinnahmen sollen die Landkreise ihr investiertes Geld wieder zurückerhalten. Das Gutachten sagt dazu: „Über Pachteinnahmen kann mittel- und langfristig eine Refinanzierung der Investitionen erfolgen.“ Der VRS hofft neben Pachteinnahmen zudem auf Zuschüsse der Landesregierung, da sie das interkommunale Projekt wohlwollend beobachtet, wie es in der Sitzungsunterlage heißt.