Bietigheimer Zeitung Uwe Roth 08.05.2017
Schillerpreis Die Autoren Thomas Rosenlöcher und Judith Zander sind im Deutschen Literaturarchiv geehrt worden.
Marbach. An den 1947 in Dresden geborenen Thomas Rosenlöcher ging die Ehrengabe 2017 der Deutschen Schillerstiftung von 1859. Die Auszeichnung wurde zum vierten Mal vergeben und ist mit 10 000 Euro dotiert. Die 36-jährige Judith Zander stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und erhielt aus den Händen des Kuratoriumsvorsitzenden Hellmut Seemann den ebenfalls zum vierten Mal vergebenen und mit 10 000 Euro dotierten Anke Bennholdt-Thomsen-Lyrikpreis 2017 für deutschsprachige Lyrikerinnen. Mit der Entscheidung folgte das Kuratorium dem Votum ihrer Jury (Thomas Geiger, Norbert Hummelt, Katrin Lange, Antje Weber und Helge Pfannenschmidt).
Kleine Fangemeinde
Die Lyrik hat eine kleine Fangemeinde. Aber sie ist sachverständig. Eine kleine Zuhörerschar versammelte sich am Freitagabend im Kilian-Steiner-Saal des Literaturarchivs, um im Wesentlichen in völliger Stille Dichterlesungen der beiden Preisträger zu lauschen. Zander tat dies mit geringer Emotion. Rosenlöcher ist der eher gefühlsbetonte Mensch und trug seine Gedichte munter vor. Sein sächsischer Zungenschlag passte zu den Kostproben aus seinen Werken, die in Zusammenhang mit Kleinzschachwitz stehen, einem idyllischen an der Elbe gelegenen Stadtteil von Dresden. Zander hingegen, die heute in Berlin lebt, ist akzentfrei sowohl im Deutschen als auch Englischen, mit dem sie gerne ihre Gedichte würzt und das sie astrein spricht.
Der Schriftsteller Norbert Hummelt hielt die Laudatio für Rosenlöcher. Das Jurymitglied Thomas Geiger sprach für Zander. Beide verlangtem mit ihren Ansprachen ihrem Publikum einigen Sachverstand ab. Das musste wohl so sein bei literarischen Werken, die nicht auf das große Publikum abzielen und von allen verstanden werden sollen. Zumal es Preise sind, die selten vergeben werden und deren Stifter nicht jedem gegenwärtig sind. Judith Zander gestand ein, dass sie „wirklich überrascht“ gewesen sei, als sie im vergangenen November den Anruf erhalten und von dem ihr unbekannten Anke-Bennholdt-Thomsen-Lyrikpreis erfahren habe. Aber nach der Überraschung habe sie sich umso mehr über die Auszeichnung gefreut. Rosenlöcher sagte, mit dieser Ehrengabe habe er niemals gerechnet.
Melancholische Ironie
Die Jury hatte Thomas Rosenlöcher in ihrer Entscheidungsbegründung als „einen Meister der melancholischen Ironie“ gewürdigt; zugleich sei diese die Haltung gewesen, mit der er dem Staat begegnete, in dem er lebte und schrieb. Weiter heißt es in der Begründung: „Seine oft mit genauer Naturbeobachtung einsetzenden Gedichte behaupten eine romantisch-widerständige Nischenexistenz, die er dann, unter geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen, im vereinigten Deutschland fortführte.“ Da der Autor in den späten 1970er Jahren am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ in Leipzig studierte, nannte ihn sein Laudator „einen staatlich zugelassenen Dichter“.
Bei Judith Zander zeigte sich die Jury überzeugt, dass sie „eine der aufregendsten Lyrikerinnen unserer Zeit ist“. Ihre Gedichte, so heißt es in der Begründung weiter, umkreisten die klassischen Themen der Lyrik: Herkunfts- und Landschaftsgedichte finden sich in ihrem Werk ebenso wie Liebes- und Dinggedichte. Ihr zweiter Gedichtband „Manual numerale“ ist aufgebaut „wie ein Diarium“.
„Eine Meisterin des Nichteindeutigen“
Das bedeutet, das Datum legt die Anzahl der Gedichtzeilen fest und zeigt, „– gleichsam en passant – wie strenge Formvorgaben zu einem poetischen Spiel werden können.“
Zander sei „eine Meisterin des Nichteindeutigen“, sie spiele mit Lauten, Bedeutungs- und Sprachebenen und zeige sich dabei als fundierte Kennerin der deutschen und angloamerikanischen Dichtungsgeschichte und ihrer häufig schon vergessenen Formen. Vielleicht am schönsten sei ihr „verschmitzter Humor“, der immer wieder in ihren Gedichten aufblitze. ⇥Uwe Roth