Rundschlag: Flucht aus Deutschland

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ZVW, Uwe Roth 02.06.2015

Die einen kommen zerlumpt und halb tot übers Mittelmeer. Die Flüchtlinge wollen rein. Über solche Ankömmlinge wird viel geredet.

Die anderen fliegen komfortabel und freudig erregt weg aus Deutschland. Solche Abkömmlinge wollen raus. Deutschland ist Auswanderungsland. Nicht bloß Einwanderungsland. Das aber bekommt kaum jemand mit. Außer diejenigen, die regelmäßig den Sender Vox gucken und genüsslich mitverfolgen, wie Deutsche als Existenzgründer grandios auf Mallorca scheitern, weil ihnen erst kurz vor dem Abflug aufgefallen ist, dass man in der neuen Heimat Spanisch spricht. Doch diese Sprache hätten sie in der Schule leider nicht gelernt, wie sie beim Ausfüllen der Meldebescheinigung frustriert feststellen. Wie die Auswanderer so vieles andere nicht mitbekommen haben, was für ihren Exodus nützlich gewesen wäre.

Mittlerweile leben über drei Millionen Deutsche irgendwo auf der Welt. Das ist rund achtmal mehr, als der Rems-Murr-Kreis Einwohner hat. Das Ergebnis einer entsprechenden Datenauswertung hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Montag mitgeteilt. Irgendwo auf der Welt – das bezieht sich überwiegend auf die entwickelten Staaten. Wie viele Bundesbürger es zusätzlich in Entwicklungsländer gezogen hat, das weiß man nicht. Interessiert wohl auch weniger. Deutsche Studierende, das wiederum ist durch Daten belegt, stellen die größten Gruppen an ausländischen Universitäten. Und bei der Auswertung der Daten haben die OECD-Mitarbeiter zudem festgestellt, „dass sich viele Deutsche in Deutschland mit Auswanderungsgedanken tragen“.

Und die ganz üble Nachricht dabei: Im Gegensatz zur weniger nachdenkenden Klientel, die der Sender Vox durch die Welt begleitet, haben viele Ausreiser einen hohen (deutschen) Bildungsabschluss. Wem’s hier zu blöd wird, der ist dann mal weg. Und es gibt so einiges, bei dem man sich denkt, lange rege ich mich darüber nicht mehr auf, und ihr könnt mich alle mal. Ein solcher Aufreger sind beispielsweise Bürger, die alles Fremde in ihrer Nachbarschaft nicht leiden können, aber tonnenweise Billigklamotten aus Bangladesh in ihr deutsches Heim tragen. Und die dann noch steif und fest behaupten, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun.

Und nach dem OECD-Bericht ist es wirklich kein unwahrscheinliches Szenario: Wenn die Europäer (die deutschen sind da eingeschlossen!) immer bornierter werden, verlässt der gut ausgebildete Nachwuchs nach und nach den Kontinent. Englisch hat er ja perfekt gelernt. Und wir können vom Sofa aus weiter Vox gucken und uns am Scheitern der anderen ergötzen.