Print Friendly, PDF & Email

Sonntag Aktuell Uwe Roth 23.08.2009

Note mangelhaft für den Luftreinhalteplan des Regierungspräsidiums (RP). Das Feinstauburteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts vom Mittwoch erwischte Regierungspräsident Johannes Schmalzl auf dem falschen Fuß. Die von ihm angeordneten Umweltzonen haben wenig dazu beigetragen, die Belastung der Umwelt mit kleinsten Staubpartikeln in den vorgegebenen Grenzen zu halten. Feinstaub wird für Lungenerkrankungen verantwortlich gemacht.

Schmalzl reagiert in ersten Stellungnahmen auf das Urteil hilflos. An den Messstationen, die besonders gravierende Grenzwertüberschreitungen melden wie am Stuttgarter Neckartor, könnten Fahrverbote punktuell verstärkt werden, so sein spontaner Vorschlag. Innerhalb der Umweltzone eine Akutzone zu schaffen, nennt der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Werner Wölfle, dagegen schlicht „Irrsinn“. Das ist so, als legte man Eiswürfel auf den Thermostaten in der Hoffnung, damit die gesamte Raumtemperatur zu senken.

Es ist gerade drei Wochen her, da hatte sich der Vorgesetzte von 2800 Behördenmitarbeitern ebenfalls wegen einer peinlichen Panne vor der Öffentlichkeit erklären müssen: Seine Abteilung „Straßenwesen und Verkehr“ hatte mit ihrem Baustellenmanagement auf der B 27 in Höhe des Stuttgarter Flughafens ein derartiges Chaos verursacht, dass Verkehrsteilnehmer, statt in den Urlaub zu fliegen, stundenlang im Stau steckten und unverrichteter Dinge wieder heimkehren mussten. Schmalzl rechtfertigte sich in einem Interview, er habe den Ratschlägen seiner Experten im Haus vertraut. Das klang eher kläglich.

Regierungspräsident braucht Gottvertrauen

Ein gewisses Maß an Gottvertrauen braucht der Regierungspräsident ohne Frage. Denn mit der Verwaltungsreform 2005 hat sich der Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums gewaltig vergrößert, so dass es unmöglich geworden ist, weit oben an der Behördenspitze den fachlichen Überblick zu behalten. Johannes Schmalzl ist laut Auftrag oberster Natur- und Umweltschützer in seinem Bezirk und kümmerte sich in dieser Funktion kürzlich ums wildwuchernde Indische Springkraut am Bärenschlössle. In gleicher Person verwaltet Schmalzl in diesem Jahr 355 Millionen Euro für den Straßenbau, plant damit den Ausbau von Autobahnen und den Neubau von Ortsumgehungen. Der Regierungspräsident ist Chef des Veterinär- und Lebensmittelwesens und somit oberster Verbraucherschützer. Sein Kommentar zu Käse- und Schinkenimitaten: „Die Leute wollen eine Pizza Prosciutto und keine Pizza Mafioso.“

Gleichzeitig greift der Regierungspräsident tief in die Bürgerrechte ein, lehnt – wie im Fall von Stuttgart 21 – Ansinnen auf ein Bürgerbegehren ab und hebt gegen den Willen der Stadtverwaltung ein Durchfahrtsverbot für Lkw auf. Auch Städte müssen sich vom RP bis hinein in kommunale Details kontrollieren lassen – und zwar nicht nur in ihren Haushaltsplänen, wie kürzlich die besonders klamme Stadt Sindelfingen, sondern sogar in der Anzahl der Klassen ihrer Schulen. Damit nicht genug: Wirtschaftsförderung, Denkmalschutz, Polizei und die Gesundheitsämter fallen ebenso in den Zuständigkeitsbereich des RP. Insgesamt umfasst dieser zehn Abteilungen, die sich aus über 100 Referaten zusammensetzen.

Vorgesetzter ist der Innenminister

Johannes Schmalzl (44) ist seit 2008 im Amt. Der gelernte Jurist wurde von keinem parlamentarischen Gremium gewählt, sondern von der FDP im Landtag vorgeschlagen. Der Koalitionsvertrag hatte den Liberalen den Vortritt bei der Nominierung gegeben. Schmalzls Vorgesetzter ist Innenminister Heribert Rech beziehungsweise dessen Staatssekretär Rudolf Köberle (beide CDU). Da die „Bündelungs- und „Koordinierungsaufgaben“ des RP jedoch alle zehn Landesministerien betreffen, regieren auch alle anderen Minister in die Geschäfte des Regierungspräsidenten hinein.

Das FDP-Mitglied versteht sich laut eigener Aussage nicht als Politiker. Er sehe sein Amt nicht politisch, allenfalls sei es ein „Vollzugsorgan mit politischer Note“, meinte er kurz nach seiner Amtseinführung. Gleichwohl macht Schmalzl seither unentwegt politische Aussagen, wie bei der jüngsten Forderung nach „dauerhaft mehr Geld für den Straßenbau“. Diese würde er jedenfalls so nicht treffen, stünde er beispielsweise den Grünen nahe, die seine Verkehrspolitik gelegentlich hart angreifen.

Der Regierungspräsident legt sich ungern fest. Muss er unangenehme Positionen vertreten, beharrt er darauf, dass er als Stellvertreter des Ministerpräsidenten loyal sein müsse und zuallererst die Linie der Landesregierung zu vertreten habe. So weiß man bei Schmalzl eigentlich nie so genau, ob er tatsächlich seine Meinung kundtut oder doch nur Sprachorgan seiner Partei oder irgendeines Ministers ist oder ob er einfach nur der Auffassung von Günther Oettinger (CDU) folgt.

Kontrolle „völlig unzureichend“

Hätte ein Bürgermeister ein solches Baustellenchaos wie auf der B 27 verursacht, wäre mit Sicherheit eine Fragestunde im Gemeinderat fällig gewesen. Und der Regierungspräsident? Er muss sich zumindest keinem parlamentarischen Gremium stellen. Die Opposition im Landtag bedauert dies außerordentlich: „Als völlig unzureichend“ bezeichnet Uli Sckerl, innenpolitischer Sprecher der Grünen, die Kontrolle über die so mächtige Behörde. „Das Regierungspräsidium hat irre Befugnisse, setzt landespolitische Zielsetzungen um, ohne jegliche parlamentarische Kontrolle“, sagt auch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Reinhold Gall.

Ginge es nach diesen beiden Parteien, wären die vier Regierungspräsidien im Land bei der Verwaltungsreform längst aufgelöst worden. Die SPD wollte sogar die Landkreise abschaffen und maximal 16 Regionalkreise schaffen. Doch politische Mehrheiten fanden sich für solche Vorschläge nicht. In den kommenden Jahren, da machen sich beide Landtagsabgeordneten keine Illusionen, ist der Zug für eine weitere Verwaltungsreform abgefahren.

Kein Anlass, „an der Aufsicht zu zweifeln“

Die Landtags-CDU wertet das Ergebnis naturgemäß anders: Der dreistufige Verwaltungsaufbau habe sich bewährt, versichert ein Sprecher auf Anfrage. Die CDU-Fraktion nehme ihre Aufgabe, das Regierungshandeln zu kontrollieren, ernst. „Entscheidungen der Regierungspräsidien und Aussagen deren Spitzenvertreter beobachten wir sorgfältig, haben aber keinen Anlass, an der gewissenhaften Aufsicht durch das Innenministerium zu zweifeln“, so der Fraktionsvertreter, für den das Thema damit erledigt ist. Ist der Regierungspräsident ein kleiner König oder ein politisch Getriebener? Sein Sprecher sieht ihn vielmehr in der Rolle des Vermittlers zwischen dem Begehren der Oberbürgermeister, Landräte, der Minister auf Landes- und Bundesebene. Alle wollten schließlich Einfluss auf den Regierungspräsidenten nehmen – das dauerhaft auszuhalten sei anstrengend.

Nicht nur mit dem Baustellenmanagement und dem Feinstauburteil zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen. Auch die Endlosdebatte um den geplanten Nord-Ost-Ring von Stuttgart zeigt dem Regierungspräsidenten seine Grenzen auf. Permanent wird er von allen Seiten mit neuen Plänen und Vorstellungen konfrontiert. Da kann er sich nur noch im Kreis drehen. Uwe Roth