Porträt Ulrich Goll

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ZVW Uwe Roth 02.05.2015

Waiblingen. Ulrich Goll ist bereit. Nicht nur für seinen 65. Geburtstag an diesem Samstag, 2. Mai. Geradezu wild entschlossen ist der FDP-Mann, bei der Landtagswahl 2016 dabei zu sein. Von der Kreispartei ist er für eine Kandidatur vorgeschlagen. Die Frage nach Ruhestand kommt erst gar nicht auf.

Der Minister a. D. ist hin- und hergerissen. Einerseits schmeichelt ihm der Anruf der Zeitung, etwas zu seinem halbrunden Geburtstag veröffentlichen zu wollen. „Ich hab mich gefreut, dass die Zeitung an mich gedacht hat“, sagt Ulrich Goll bei der Begrüßung. Andererseits … schiebt er zögernd nach: „Am liebsten hätte ich an meinem Geburtstag gar nichts gemacht.“ Bislang hat er ein Essen mit der Familie „und zwei bis drei Bekannten“ geplant, der übliche kleine Rahmen eben, den er ungern sprengen möchte. Mit Ehefrau und fünf Kindern sitzen insgesamt ja auch schon zehn Personen am Geburtstagstisch.

Die Begründung des FDP-Landtagsabgeordneten aus Waiblingen, warum ihm Glückwunschrituale unangenehm sind, lautet: „Es kommt mir komisch vor, sich selbst zu feiern“, sagt er, was bei einem Politiker, der es bis zu Ministerehren gebracht hat, etwas seltsam klingt. Da ein „Hoch soll er leben“ unvermeidlich ist, habe er seine Geburtstage „nie sonderlich gerne gefeiert“. Klar, zu seinem 50. und 60. Geburtstag „gab’s schöne Feiern“. So, wie er das sagt, hört es sich eher an wie abgeleistete Pflichtübungen als nach Freudentage.

Und am Jubiläumswert des 65. Geburtstags scheiden sich sowieso die Geister. Die einen können diesen Tag kaum erwarten, weil er den Weg in den lang ersehnten Ruhestand freimacht. Die anderen erfüllt der Gedanke an dieses Lebensereignis wiederum mit Wehmut, weil sie wegen Erreichens der Altersgrenze endgültig den Schreibtisch räumen müssen, um Jüngeren Platz zu machen. Ulrich Goll ist in der komfortablen Lage, ganz im liberalen Sinn frei über seine persönliche Ruhestandsgrenze entscheiden zu können. Und diese hat er eindeutig jenseits der 70 gesetzt. Das weiß er bereits heute. Allerdings ist sein weiterer Karriereplan lange nicht in trockenen Tüchern. Goll hat sein selbst gewähltes Schicksal in die Hand der Wähler gelegt. Die müssen am 13. März 2016 bei der Landtagswahl gewillt sein, der FDP so viele Stimmen zu geben, dass diese den Sprung ins Parlament schafft.

Aktuell sind die Liberalen nur noch in sechs von insgesamt 16 Landesparlamenten vertreten. Größter Schock war 2013 der Rauswurf aus dem Bundestag. 2011 im Stuttgarter Landtag die Regierungsbeteiligung zu verlieren, war schon Traumata-Erfahrung genug gewesen.

Für 2016 hundertprozentige Siegesgewissheit zu demonstrieren, käme Goll etwas vermessen vor. Aber „viele gute Gründe für Optimismus“ kennt er wohl. Mit einem Landtagsmandat in der Tasche könnte er sich dann mit fast 66 auch wieder Führungsaufgaben vorstellen, lässt er durchblicken. Sollte es lediglich zu einem einfachen Abgeordnetenjob reichen, will er dennoch fünf Jahre durchhalten. „Ich werde zu meinem Mandat stehen“, versichert er. Aber was hat er vor, sollte das schlimmste Szenario eintreten und die FDP auch in ihrem Stammland an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern? Golls offizielle Antwort auf diese Frage zum Mitschreiben heißt: „Ich denke nicht darüber nach.“

Geradlinig sein, zu seinem Wort stehen, diese Eigenschaften haben Goll und seine Familie vor sieben Jahren zu Rems-Murr-Bürgern gemacht. Bei der Kandidatenaufstellung sei er damals gefragt worden, ob er zum Umzug von Leonberg in seinen künftigen Wahlkreis bereit sei? „Ich habe Ja gesagt. Die Frage im falschen Moment mit Nein zu beantworten, hätte bedeuten können, dass man weg ist vom Fenster“, erläutert der promovierte Arbeitsrechtler die Bedeutung strategisch ausgerichteter Antworten, die nicht unbedingt der inneren Überzeugung entsprechen müssen. Als er nach erfolgreicher Wahl tatsächlich seinen Wohnort wechselte, hätten einige zu ihm erstaunt gesagt: „Wir hätten nicht gedacht, dass Sie das tun.“ Für Goll war der Umzug nur konsequent – Erwartungen hin, Erwartungen her.

Keiner kommt ungeschoren davon

Und konsequent ist für den FDP-Abgeordneten, sich mit vollem Elan in den Wahlkampf zu stürzen, um dem dilettantischen Treiben der grün-roten Landesregierung ein Ende zu machen, wie er sagt. In seiner harschen Kritik kommt kein Minister ungeschoren davon. Er hält sie für ideologisch fremdbestimmt, anstatt von Vernunft und Können geleitet. Goll sieht Fehler über Fehler und will nicht im Ansatz etwas entdecken können, was Grün-Rot besser macht als die vorherige schwarz-gelbe Landesregierung oder zumindest gleich gut.

Die Enttäuschung darüber, dass ihm Wähler vor vier Jahren das Regierungsruder aus der Hand gerissen haben, taugt immer noch als Energiequelle für harte Attacken auf die Landesregierung. Ulrich Goll schmollt, weil die von ihm privatisierte Bewährungshilfe rückgängig gemacht wurde, und freut sich darüber, dass jetzt wieder private Helfer gefordert werden. Er kann kaum erwarten, dass es mit den Wahlkampfveranstaltungen losgeht. „Ich will dabei sein, wenn’s um die Wurst geht“, sagt Goll. Die Chance, in seine letzte große politische Schlacht zu ziehen, die will er auf keinen Fall verpassen. Wer will da schon Zeit verschwenden, über Altersgrenzen und womöglich gar Ruhestand zu reden.