ZVW Uwe Roth 19.08.2016
Waiblingen. Den Kommunen fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Das ist die Sichtweise des Gemeindetags. Die IHK Region Stuttgart kontert: Den Kommunen geht’s prima. Es gibt sogar noch Luft zum Sparen. Beide Seiten bedienen sich des gleichen Zahlenmaterials.
Es ist ein jährliches Ritual im August. Zuerst erscheint der Gemeindetag Baden-Württemberg mit einer stets traurigen Nachricht zur betrüblichen Lage der Kommunen. In diesem Jahr war es die Feststellung, die Ertragskraft der kommunalen Haushalte sei schwach. Wenige Tage später folgt unweigerlich die Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart mit einer frohen Botschaft zur Finanzlage der Kommunen. In diesem Jahr lautete sie: „Gute Aussichten für die Gemeinden“.
Ihre Schlussfolgerungen ziehen beide Seiten jeweils aus der Analyse der kommunalen Haushalte. Wobei sich die IHK auf die Bewertung der 24 größten Städte in der Region Stuttgart beschränkt. Aus dem Rems-Murr-Kreis gehören dazu Waiblingen, Backnang, Winnenden Schorndorf und Weinstadt.
Insgesamt aber müsste die Datengrundlage für den Gemeindetag und die IHK Region Stuttgart gleich sein und logischerweise zu gleichen Ergebnissen führen. Die Bewertungen fallen jedoch höchst unterschiedlich aus. IHK-Präsident Georg Fichtner stellt fest: „Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um die Gemeindefinanzen in den Griff zu bekommen.“ Fichtner zeigt sich überzeugt, dass die „indirekt auch für die Kommunen wirkende Schuldenbremse 2020 greifen wird“.
Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags, stellt wiederum fest: „Wir haben aktuell weder genug Stoff zum Träumen noch die Zeit dafür. Wenn wir die Kommunalfinanzen nicht jetzt schon auf ein zukunftsfähiges Gleis setzen, rollen wir langsam, aber sicher sehenden Auges aufs finanzielle Abstellgleis.“
Geht’s den Kommunen nun gut oder doch nicht so gut?
Man kann getrost davon ausgehen, dass die amtlichen Statistiken für politische Botschaften herhalten müssen. Der Gemeindetag glaubt, als politischer Vertreter der Kommunen müsse er Jahr für Jahr die Bedürftigkeit seiner Verbandsmitglieder hervorheben. Mit dieser Strategie will er Druck auf die grün-rote Landesregierung ausüben und sie daran hindern, den Sparstift an Zuschussprogramme für Gemeinden zu setzen. Am liebsten wäre es dem Gemeindetag, das Land zweigt aus seinem Haushalt noch mehr Geld für seine Kommunen ab.
Die finanziellen Forderungen der kommunalen Verbände werden umso lauter erhoben, je näher die Landtagswahl im kommenden Jahr rückt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Spitzen des Gemeindetags, des Städtetags und des Landkreistags im Land von aktiven CDU-Mitgliedern dominiert werden. Gemeindetagspräsident Kehle beispielsweise war viele Jahre CDU-Bürgermeister der Stadt Wernau im Landkreis Esslingen. Die Ministerinnen und Minister der Landesregierung sind folglich auch politische Gegner der kommunalen Verbandsfunktionäre. Das muss beispielsweise mitgedacht werden, wenn Kehle unverblümt feststellt: „Dass die Landesregierung immer wieder behauptet, niemand behandele seine Kommunen so gut wie sie, gehört in die Kategorie Märchen.“ Fünf Jahre zuvor, als noch die CDU mit der FDP regierte, verpackte Kehle seine Kritik sehr viel sanfter: „Den Vertretern der Städte und Gemeinden ist die prekäre Finanzlage des Landes aber durchaus bewusst. Trotzdem bleibt uns keine andere Wahl, als in den Verhandlungen mit dem Land eine deutliche Reduzierung des Kürzungsbetrags ab 2012 anzustreben.“
Den IHK-Vertretern wiederum sind die anwachsenden Subventionen des Staates für die Kommunen lange schon ein Dorn im Auge. Die IHK sieht die Kommunen auch als Wirtschaftspartner und Wettbewerber. Dass einst privatisierte Dienstleistungen wieder in die kommunale Hand genommen werden, wird von der IHK nicht gerne gesehen.
Jahr für Jahr aufs Neue mahnt die IHK die Kommunen, Schulden abzubauen und vor allem die Verwaltung schlank zu halten. Die IHK hat eine vorwiegend betriebswirtschaftliche Sichtweise. Der Gemeindetag wirft den Blick dagegen auf die Daseinsvorsorge, die über dem Sparen stehe.
Der Kommunalverband weist darauf hin, dass die Ausgaben derzeit schneller anwüchsen als die Einnahmen und das Finanzierungssaldo rückläufig sei. Bei der IHK hingegen betont man die schon länger munter sprudelnden Einnahmen bei den Kommunen, die auch in diesem Jahr nicht nachließen.
Trotz gewachsener Ausgaben für Kinderbetreuung und Flüchtlingsunterbringung sieht die IHK bei den Städten und Gemeinden Spielraum zum Sparen, der bisher nicht ausreichend genützt werde. Und dieser Vorwurf kommt nicht uneigennützig: Was nicht für die eigene Verwaltung ausgegeben wird, soll nach Vorstellungen der IHK über öffentliche Aufträge in die Wirtschaft investiert werden.
Fazit: Wer wissen möchte, wie es finanziell um seine Kommune steht, muss selbst bei den Haushaltsexperten in seinem Gemeinderat nachfragen. Die Betrachtungen des Gemeindetags und der IHK helfen kaum weiter.