Bietigheimer Zeitung Uwe Roth 27.04.2017
Die Geschäftsführerin der Diakoniestation Ute Epple plädiert für mehr Sachlichkeit in der Diskussion über Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. Von Uwe Roth
Ute Epple erwartet in nächster Zeit wieder gehäuft Nachrichten über vermeintlich katastrophale Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. Am 12. Mai ist wie jedes Jahr der Internationale Tag der Pflege. Der bietet Anlass, auf die hohe körperliche und seelische Belastung der Menschen hinzuweisen, die Tag für Tag professionell Kranke und Alte versorgen. Zugespitzt werden die Nachrichten ihrer Meinung nach auf einen drohenden Pflegenotstand.
Die Geschäftsführerin der Diakoniestation in der Gartenstraße weiß, dass die Pflege ein Job mit besonderen Anforderungen ist. Schließlich ist sie Vorgesetzte von 35 Pflegefachkräften, die zusammen in der Stadt 400 Menschen sieben Tage die Woche im mobilen Einsatz betreuen. „Dies sind schon besondere Herausforderungen“, sagt sie. „Doch wenn in der Öffentlichkeit immer nur Negatives über diesen Beruf berichtet wird, wie will man dann junge Menschen für die Arbeit als Pflegefachkraft begeistern?“, fragt sie. Sie habe Mitarbeiter, die „ihren Beruf sehr gerne machen“. Das liege daran, dass es in der Arbeit „sehr viel positive Rückmeldungen“ gebe. Die Dankbarkeit der Pflegebedürftigen zu erfahren, sei ein Beispiel. „Es ist nicht hilfreich, wenn immer nur über die schlechten Bedingungen gejammert wird und wir in der Zukunft noch mehr Pflegekräfte benötigen“, stellt sie fest.
Nur mehr ein Gerücht
Auch die schlechte Bezahlung ist ihres Erachtens „ein Gerücht“, das nicht aus der Welt zu schaffen sei. In ihrer Station verdient nach ihren Angaben eine Fachkraft mit fünf Berufsjahren brutto 2950 Euro plus Zulagen. In der Endstufe, nach 15 Berufsjahren, erhält sie 3500 Euro Grundgehalt. Mit einem Verdienst in der Industrie sei dies selbstverständlich nicht zu vergleichen. Aber die Bezahlung sei so übel nicht. Wer Vollzeit arbeite, sei damit auch später in der Rente versorgt.
Dass es auf dem Arbeitsmarkt für Pflegekräfte immer enger zugeht, bekommt auch die Diakoniestation zu spüren. „Wir bekommen deutlich weniger Bewerbungen“, sagt Epple, „besonders die Initiativbewerbungen gehen im Vergleich zu früher zurück.“ Noch sei die Situation erträglich. „Sie wird sich verschärfen“, ist die Geschäftsführerin der Diakoniestation überzeugt und spricht von einer „unguten Entwicklung“. Der Trend zur häuslichen Pflege sei ungebrochen und werde sich angesichts des demografischen Wandels, verbunden mit dem Wunsch alter Menschen, möglichst lange zuhause versorgt zu werden, verstärken. Die Diakoniestation, deren Trägerverein im Juni vor 40 Jahren gegründet wurde, sieht sich vor weiteren Herausforderungen.
„An unangenehmen Arbeitszeiten können wir nicht rütteln“
Bewerber um eine Stelle seien sich in jüngster Zeit zunehmend bewusst, „dass man auf sie angewiesen ist.“ Deren Vorstellung von Arbeitszeitgestaltung sei mitunter „sehr wunschorientiert“, umschreibt sie allzu forsch vorgetragene Forderungen. Man komme Bewerbern wohl so weit wie möglich entgegen. Aber letztlich müssten die Leistungen der Diakoniestation den Wünschen der Kunden entsprechen. Nur weil eine Pflegekraft acht Stunden am Stück und wo möglichst erst von acht Uhr an arbeiten möchte, könne die letzte Morgentoilette ihrer Tour nicht erst um 14 Uhr stattfinden. „An unangenehmen Arbeitszeiten können wir nicht rütteln.“ Das bedeutet 6.15 Uhr regulärer Arbeitsbeginn, mehrstündige Mittagspause und am späten Nachmittag bis in den Abend erneut Dienst. Frauen mit kleinen Kindern können erst um acht Uhr beginnen. Im Dienstplan sind sie als Müttertouren eingetragen.