„Nur fremder Sanierer kann helfen“

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Stuttgarter Nachrichten Uwe Roth 26.03.2010

STUTTGART/FREIBURG. Die EU soll die Rettung Griechenlands Außenstehenden wie dem IWF überlassen, sagt Lüder Gerken vom Centrum für Europäische Politik. Den EU-Staaten unterstellt er Beißhemmung, um harte Reformen durchzuziehen.

Herr Gerken, der Internationale Währungsfonds (IWF) saniert gewöhnlich Entwicklungsländer. Ist die EU schon so tief gesunken?

Es geht ja nicht nur um verarmte Entwicklungsländer. In der Finanzkrise hat der IWF auch schon Ländern wie Ungarn geholfen. Ungarn ist kein Entwicklungsland. Mir stellt sich in erster Linie die Frage, wenn nicht der IWF eingreift, wer dann?

Die Europäische Zentralbank (EZB) jedenfalls wehrt sich heftig gegen eine IWF-Beteiligung.

Aus der Sicht der EZB kann ich die Abwehrhaltung durchaus nachvollziehen. Dort will man natürlich nicht, dass der IWF in die eigene Geldpolitik hineinregiert. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass der IWF auf eine solche Einflussnahme verzichtet.

Was kann der IWF, was kein anderer kann?

Der IWF hat den Vorteil, dass er ein außenstehender Akteur ist. Er ist innerhalb der EU niemandem verpflichtet. Die Alternative zum IWF wäre doch, dass die EU-Staaten selbst darüber befinden müssten, welche Konsequenzen zu ziehen sind. Als potentielle Defizitsünder würden sie dies sicher nur halbherzig tun. Können Sie sich vorstellen, dass die Bundesrepublik Deutschland, die in Griechenland denkbar unpopulär ist, sich zum Sündenbock abstempeln lässt, weil sie das Land zu rigiden Reformen zwingt? Ich halte das für relativ unwahrscheinlich.

Könnte nicht die USA als größter Akteur im IWF Einfluss auf unsere Geldpolitik nehmen?

Die USA hat eine Sperrminorität, keine Mehrheit. Der Einfluss eines IWF-Mitglieds bestimmt sich über die Höhe des Kapitals, mit der ein Staat beim IWF beteiligt ist. Auch die Mitgliedstaaten der EU haben zusammengenommen eine Sperrminorität. Der Einfluss der USA wird sehr überbewertet. Für mich bleibt es bei der Frage, wo ist die Alternative zum IWF?

Der Bundesfinanzminister hat einen Europäischen Währungsfonds ins Gespräch gebracht.

Auch diesen Ansatz halte ich für falsch. Die EU-Staaten sollen lieber einen Sündenbock von außen holen. Wir haben es beim Stabilitäts- und Wachstumspakt erlebt: Er war dazu gedacht, Verstöße gegen das Verschuldungverbot der EU zu bestrafen. 2003 haben Deutschland und Frankreich dem Stabilitäts- und Wachstumspakt das Genick gebrochen, weil sie dafür gesorgt haben, dass ihre Verfahren außer Kraft gesetzt wurden. Nach dem Präzedenzfall muss kein Defizitsünder ernsthaft Strafen erwarten.

Die Weigerung, die Lösung im eigenen System zu finden, bringt den Euro ins Rutschen. Ist das nicht ein gefährliches Spiel?

Der Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar ist sehr unterschiedlichen Faktoren ausgesetzt. Nicht eine Person allein ist in der Lage, substanziell auf den Wechselkurs Einfluss zu nehmen. Wir haben derzeit ein großes Maß an Unsicherheit – auch auf den Devisenmärkten, das ist vollkommen richtig. Aber ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass gerade ein hartes Auftreten innerhalb der Euro-Zone gegenüber Griechenland den Euro stärkt und nicht schwächt.

Zu welcher Lösung man auch kommen wird, Deutschland wird sich an der Rettung Griechenlands finanziell beteiligen müssen.

Das wird so sein. Der Bund wird neue Schulden aufnehmen müssen. Ich wüsste nicht, wie es anders gehen sollte. Ein Teil der Hilfen werden Kredite sein, die Mitgliedstaaten an Griechenland geben. Das finde ich problematisch, weil es eindeutig gegen europäisches Recht verstößt. Griechenland darf nicht herausgepaukt werden, auch nicht von anderen Mitgliedstaaten. Das steht so ausdrücklich in den Verträgen.