SWP Uwe Roth 08.11.2017
Am 5. Dezember eröffnet der Textildiscounter Primark in der Fußgängerzone seine zweite Filiale in Stuttgart. Der Einzelhandel hofft zum Weihnachtsgeschäft auf positive Effekte. Von Uwe Roth
Gefühlt besteht die Baustelle an der oberen Königstraße eine halbe Ewigkeit. Im Mai 2015 hat Karstadt seine Filiale dort dichtgemacht. Seither ragten Kräne in die Höhe. Ein Bauzaun verengt die belebte Fußgängerzone zum Flaschenhals. Zwischen den Passanten manövrieren Baufahrzeuge ihre Ladung zum Gebäude, das im Kern seit über 110 Jahren ein Warenhaus ist. Der Baulärm, der für Unmut in den umliegenden Läden sorgte, ist weitgehend weg und die Absperrung sicher bald ebenfalls. Bettina Fuchs von der City Initiative Stuttgart (CIS) begrüßt die Eröffnung der Primark-Filiale in vier Wochen allein aus dem Grund, dass im Weihnachtsgeschäft die über einen Kilometer lange Königstraße wieder aufgeräumter ausschaut.
Ansonsten sieht die CIS-Geschäftsführerin den neuen Ableger der irischen Billigtextilkette, die aufgrund ihrer aggressiven Preispolitik und ihres Umgangs mit Mitarbeitern häufig in der Kritik steht, in der Stuttgarter 1A-Lage pragmatisch. Sie ist überzeugt, dass der Laden an diesem Abschnitt der Fußgängerzone „der Frequenz gut tun wird“. Die umliegenden Geschäfte, deren Inhaber sich unzufrieden mit dem künftigen Nachbarn gezeigt hätten, „werden eher profitieren“, ist sie überzeugt.
Neuer Käuferstrom Richtung Marktplatz
Im unteren Teil des Gebäudes an der Schulstraße hat bereits die Filiale einer Drogeriemarktkette eröffnet. „Bei der langen Einkaufsnacht war der Laden super frequentiert“, hat Fuchs beobachtet. Sie sieht darin die Bestätigung, dass sich von der Ecke König- und Schulstraße ein Käuferstrom in Richtung Marktplatz entwickeln könnte, der sich zum Breuninger bis ins neue Dorotheen-Quartier fortsetzt. Insofern geht aus der Sicht der City-Managerin von dem neuen Superstore „ein positives Signal aus“.
Das sieht auch Sabine Hagmann so. Die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg sagt: „Ein Primark-Standort auf der Königstraße ergibt aus unserer Sicht durchaus Sinn.“ In den vergangenen Jahren hätten sich dort immer mehr traditionelle Fachgeschäfte verabschiedet und große Filialisten angesiedelt.
Primark seit drei Jahren in Stuttgart vertreten
Primark ist seit der Eröffnung des Milaneo vor drei Jahren in Stuttgart vertreten. Anfänglich war spekuliert worden, mit dem Einzug in die Innenstadt könnte der Filialist seinen Standort an der Heilbronner Straße aufgeben. Ein Unternehmssprecher betont jedoch, dass es mit dem Betreiber des Milaneo „einen sehr langfristigen Mietvertrag gibt“. Außerdem sei Primark bereits vor Eröffnung der ersten Filiale auf der Suche nach einem zweiten Standort in Stuttgart gewesen. Wegen der schwierigen Lage auf dem Immobilienmarkt habe die Suche länger gedauert.
Es sei einkalkuliert, dass mancher Kunde künftig in den neuen Laden kommen wird, der mit einer Verkaufsfläche von 8000 Quadratmetern fast doppelt so groß wie der im Milaneo ist. Der Primark-Sprecher geht aber davon aus, dass beide Standorte gut laufen werden. Die typische Kundschaft nähme für ihre Schnäppchenjagd eine bis zu eineinhalbstündige Anreise auf sich. Stuttgart sei als Standort auch deswegen attraktiv, weil sogar grenznah lebende Schweizer und Franzosen gerne zum Shoppen kämen. Das bestätigt die City-Managerin. Immer häufiger fragten Busunternehmen aus Nachbarländern nach, wann die nächsten langen Einkaufsnächte stattfänden, sagt Fuchs.
79 Umkleidekabinen und Sitting area
Das Sortiment in beiden Filialen sei weitgehend gleich, erklärt der Sprecher. Das Unternehmen mit Sitz in Dublin sei Mieter in der Königsstraße. Um die vorwiegend junge Kundschaft lange im Laden zu halten, locken 79 Umkleidekabinen zur Anprobe, darunter mehrere „Gruppenumkleiden“. Wer genug anprobiert hat, kann sich in einer „Sitting area“ (Sitzecke) ausruhen.
Für die Handelsverbandschefin passt das zum Trend: „Die Konzentration auf die großen Städte wächst“, stellt Hagmann fest. Dies hänge mit dem wachsenden E-Commerce zusammen. „Viele Kunden von außerhalb gehen entweder zum Shopping in eine große Stadt, oder sie bleiben zu Hause und kaufen im Internet ein“, sagt sie.
Grüne Labels sind kaum bekannt
Profil Primark setzt auf junge Kunden mit meist kleinem Geldbeutel. Nach einer Studie von Greenpeace wissen Jugendliche Bescheid über die Ausbeutung von Textilarbeitern und den hohen Chemikalieneinsatz bei der Herstellung von Mode. Trotzdem seien Textilsiegel und Herstellungsbedingungen nur für zehn Prozent der Teenager ein Kauffaktor.
Alternativen Obwohl sich Teenager für grüne Mode interessieren und Informationen zu alternativen Labels wünschen, seien nachhaltige Anbieter bei ihnen relativ unbekannt, heißt es in der Untersuchung. Nur drei bis sechs Prozent würden grüne Labels wie Armed Angels oder Recolution kennen.
Einschätzung „Jugendliche wissen um die Ausbeutung von Mensch und Natur in der Textilproduktion, allerdings blenden sie das im Laden aus“, sagt Kirsten Brodde, Greenpeace-Expertin für Textil. uro