Nach 50 Straftaten folgt die Razzia

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ZVW, Uwe Roth, 27.02.2016

Leutenbach. 150 Polizeikräfte haben am frühen Freitagmorgen eine Flüchtlingsunterkunft in Leutenbach durchsucht und die Personalien von 34 Männern festgestellt. Gefunden wurden etwas Marihuana, zwei gestohlene Handys und italienische Ausweise. Vier mit Haftbefehl gesuchte Bewohner waren weg.

Es ist eine Razzia in aller Stille. Um sechs Uhr ist die Flüchtlingsunterkunft unweit des Bahndamms in Leutenbach umstellt. Kein Licht brennt in dem Gebäude. Die Bewohner schlafen offensichtlich noch. Nur kurz blinkt vor ihrem Fenster ein Blaulicht auf. Dann sind die Beamten der Bereitschaftspolizei schon im Haus. Lichter gehen an, doch es bleibt ruhig. Davor warten viele weitere Beamte in unterschiedlichen Uniformen auf Arbeit. Es sind örtliche Polizeikräfte und Mitarbeiter des Landeskriminalamts (LKA).

Auch eine Beamtin der deutsch-französischen Polizeieinheit in Kehl ist vor Ort. Viele Bewohner der Flüchtlingsunterkunft kommen aus französischsprachigen Ländern. Die junge Beamtin vom Rhein hilft als Dolmetscherin und steht mit französischen Behörden in Verbindung, die ebenfalls an dem Fahndungsergebnis interessiert sind. Neben dem Gebäude wird ein Zelt mit Tischen und Bänken errichtet. Ein Beamter trägt ein Mikroskop herein, ein anderer eine mobile Heizung. Es herrschen Minusgrade. „Mit dem Mikroskop überprüfen wir die Echtheit von Personalpapieren“, erläutert ein LKA-Beamter. Außerdem ist ein Spezialist vor Ort, der geschult ist zu erkennen, ob das Gesicht der kontrollierten Person mit dem auf dem Ausweisbild identisch ist.

Jeder zweite registrierte Bewohner ist verschwunden

Die Lage bleibt ruhig. Nach und nach werden die jungen Männer aus dem Heim geführt. Ihnen wurde Zeit gegeben, sich den Temperaturen entsprechend anzuziehen. Äußerlich geben sie sich gelassen. Keine Spur von Panik, Aggression oder Angst. Der Umgang zwischen den Beamten und den aus dem Schlaf gerissenen Menschen ist auffallend freundlich. Eigentlich sind 51 Personen aus sechs Nationen in dieser Sammelunterkunft des Landkreises untergebracht.

Aus dem Schlaf geholt haben die Beamten jedoch nur 34 Männer. Wie sich später herausstellt, gehören zehn von ihnen nicht in dieses Heim. Sie warten nun vor zwei Polizeitransportern, in denen Beamte ihre Papiere kontrollieren und abgleichen, ob gegen sie etwas vorliegt. Kommt der Verdacht auf, der Ausweis könnte gefälscht sein, wird das Dokument ins Zelt zur Laboruntersuchung weitergereicht. Einige aber haben nichts vorzuzeigen, mit dem sie sich legitimieren könnten. Zur gleichen Zeit wird die Unterkunft untersucht. Jeweils zwei Beamte nehmen sich ein Zimmer vor. Sogar Endoskope sind im Einsatz. „Damit kontrollieren wir Hohlräume, in denen Illegales versteckt sein könnte“, heißt die Erklärung. An der Unterseite eines Schrankes entdecken sie mehrere italienische Identitätsdokumente. Ansonsten ist nicht viel Diebesgut zu finden.

Die Zeitung ist zur Razzia nicht eingeladen worden. Aber vor Ort gibt es kein Problem, sich umzuschauen und Informationen einzuholen. Auch ein Pressesprecher der Polizei ist da. In der Öffentlichkeit soll nicht der Eindruck entstehen, die Polizei habe zu lange tatenlos zugesehen, wie sich die Straftaten langsam anhäuften. Sie will mit der Razzia Flüchtlinge aber auch nicht unter Generalverdacht stellen. „Es kann doch nicht sein, dass einige Kriminelle sämtliche Flüchtlinge in ein schlechtes Licht stellen und eine Partei wie die AfD das zur Stimmungsmache nutzt“, sagt ein Beamter. Mit der Razzia werde auch „die Spreu vom Weizen getrennt“. Das wiederum nütze Flüchtlingen, die sich nichts zuschulden kommen lassen. Zahlreiche Diebstahls- und Drogendelikte In den vergangenen Monaten war die Polizei häufig in der Unterkunft und dort gut beschäftigt. Laut ihrer Auskunft sind mehr als 50 Straftaten registriert worden. Sie ermittelte in Fällen ausländerrechtlicher Verstöße, von Sachbeschädigungen, Beleidigungen, Hausfriedensbrüchen oder Körperverletzungsdelikten innerhalb der Unterkunft.

Den überwiegenden Anteil der Taten machen Diebstahlsdelikte und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz aus. Rauschgiftermittler erwirkten und vollstreckten vor dem Razziaeinsatz am Freitag vier Haftbefehle gegen zwei Gambier sowie zwei Algerier. Diese vier Männer sitzen derzeit in Justizvollzugsanstalten ein. Vier weitere zur Fahndung ausgeschriebene Bewohner bleiben an diesem Morgen jedoch unentdeckt. Die Razzia wurde in Absprache und Zusammenarbeit mit der Gemeinde Leutenbach und dem Landratsamt Rems-Murr-Kreis, als für die Unterbringung zuständige Behörde, durchgeführt. Unter anderem ist Bürgermeister Jürgen Kiesl vor Ort.

Landrat Richard Sigel lässt mitteilen, er unterstütze die Arbeit der Polizei, begangene Straftaten konsequent zu verfolgen und Gefahren abzuwehren. „Das Sicherheitsbedürfnis der Menschen ist groß“, sagt er. Es sei wichtig, dass sich die Menschen, die hier Schutz suchten, an die Gesetze halten. „Ich bin der Polizei dankbar, dass sie konsequent handelt, wenn es den Verdacht gibt, dass Straftäter in Flüchtlingsunterkünften des Landkreises Unterschlupf suchen“, so der Landrat.