ZVW, Uwe Roth, 18.07.2015
Welzheim/Stuttgart. Im Kreis sind 2014 insgesamt 62 Straftaten aus dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – Rechts “ festgestellt worden. Das sind neben dem Rhein-Neckar-Kreis und der Stadt Stuttgart landesweit die meisten rechtsextremistischen Vorfälle, stellt Willi Halder fest.
Die amtliche Statistik (Die PDF-Datei können Sie hier herunterladen) bestätigt dem Winnender Landtagsabgeordneten seine Einschätzung zum jüngsten Ereignis in Welzheim: „Die Nazi-Schmierereien an der Bilal-i Habesi Moschee zeigen einmal mehr, dass wir bei unserem Engagement gegen Rechtsextremismus nicht nachlassen dürfen“, stellt er fest. Solche Vorfälle führen ihm „deutlich vor Augen, dass fremdenfeindliche und rechtsextreme Einstellungen in Teilen der Gesellschaft vorhanden sind.“
Es sei daher „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für ein offenes und tolerantes Miteinander einzutreten“. Halder, der zugleich Kreistagsmitglied ist, hat in diesem Zusammenhang auch einen Appell an den neuen Landrat: „Umso wichtiger ist es, dass wir die Fachstelle Rechtsextremismus beim Landratsamt schnellstmöglich wiederbesetzen und damit die erfolgreiche Präventionsarbeit fortsetzen“, so Willi Halder.
„Ein deutlicher Schwerpunkt liegt auf den Propagandastraftaten“
Nach Auskunft des Innenministeriums vom 13. Juli, auf das sich Halder bezieht, hat im Rems-Murr-Kreis die politisch motivierte Kriminalität von Rechts (PMK-Rechts) im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr von 41 auf 62 Straftaten deutlich zugenommen. Allerdings hat es im vergangenen Jahrzehnt auch Jahren mit sehr viel mehr rechtsextremer Straftaten gegeben. Höhepunkt war das Jahr 2007 mit insgesamt 85 solcher Vorfälle. „Ein deutlicher Schwerpunkt der begangenen Straftaten ist bei den sogenannten Propagandastraftaten festzustellen, die überwiegend, wie auch die Volksverhetzung, dem Phänomenbereich PMK-Rechts zuzuordnen sind“, kommentiert das Ministerium die jüngsten Zahlen. Sachbeschädigungen begehen eher Linksextreme. Im vergangenen Jahr meldete die Polizei aus dem Landkreis insgesamt 18 Straftaten, die aus dieser Personengruppe heraus begangen wurden.
Die Profile besonders auffälliger Rechtsextremisten werden von der Polizei in der Datei „Gewalttäter Rechts“ gesammelt. In diesem Jahr sind darin elf ausschließlich männliche Personen aus dem Rems-Murr-Kreis erfasst worden. Ein gewaltbereiter Rechtsextremist verfügt nach Ministeriumsangaben zufolge „auch bundesweit über eine gewisse Wirkung“. Die Zahl der in dieser Täterdatenbank registrierten Kreisbürger ist jedoch seit Jahren rückläufig. Im Jahr 2010 lag die Zahl noch bei 33, also um das Dreifache höher.
„Rechtsextremisten aus dem Rems-Murr-Kreis pflegen Kontakte zu Gesinnungsgenossen im gesamten Bundesgebiet“, schreibt das Innenministerium. Dabei handele es sich jedoch weniger um organisatorische Verflechtungen, sondern vielmehr um private Kontakte zwischen einzelnen Personen. Netzwerke entstünden beispielsweise über soziale Medien sowie über das Knüpfen loser Kontakte bei Veranstaltungen, insbesondere bei Konzerten rechter Musikbands.
Offene Demonstrationen auf Straßen und Plätzen gibt es im Landkreis laut Ministerium seit Jahren nicht mehr. Demonstrationen finden stattdessen in Internetforen statt. Als Fazit zieht das Innenministerium: „Das Gefährdungspotenzial ist im Bereich des Rems-Murr-Kreises nicht signifikant höher als in anderen Land- bzw. Stadtkreisen im Land. Gleichwohl können Aktionen radikalisierter Einzelpersonen nicht ausgeschlossen werden.“
Wie viel rechtes Gedankengut in den Köpfen schlummert, ist insgesamt schwer einzuschätzen. Die Grenze zwischen Intoleranz, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus ist fließend. Auf die Berichtererstattung dieser Zeitung über die Nazi-Schmierereien an der Moschee in Welzheim folgten zahlreiche Kommentare auf den Internetseiten und in Leserbriefen, die den Anschlag deutlich verurteilten.
Einige Leserbeiträge lassen jedoch Zweifel an der Toleranz aufkommen. So schreibt einer: „In unserem Bekanntenkreis gibt es auch Menschen ausländischer Herkunft. Sie arbeiten, sind nett, haben sich angepasst und integriert, alles kein Thema. Für mich wäre aber die Grenze erreicht, wenn meine Tochter von einer Lehrerin mit Kopftuch unterrichtet wird beziehungsweise 80 Prozent der Mitschüler verschleiert sind, Türkisch als zweite Sprache unterrichtet wird, und insgesamt der Islam einen zu großen Einfluss auf die deutsche Kultur einnimmt.“ Er beendet seinen Kommentar mit: „Wir können auch nicht einfach in islamische Länder gehen und deren Sitten und Bräuche unterwandern oder? Also die Aussage der Islam gehört zu Deutschland kann ich nicht teilen.“ Ein anderer schreibt ganz unverblümt: „In Deutschland brauchen wir doch keine Moscheen! Die sollen sich anpassen oder nach Hause gehen.“
Rechtsextremismus im Kreis
– Mitglieder der langjährig auch international aktiven Skinheadband„Carpe Diem“ sind im Rems-Murr-Kreis wohnhaft, agieren in der Regel aber überregional.
– Im Dezember 2014 trat die Gruppierung „Weiße Wölfe Terrorcrew“in Erscheinung, als es in einer Gaststätte in Backnang zu einer Auseinandersetzung zwischen zehn Personen kam.
– Am 9. April 2011 zündeten Angehöre der rechtsextremistischen Szene in Winterbach eine Gartenhütte an, in die sich Jugendliche mit Migrationshintergrund geflüchtet hatten.
– Im Jahr 2011 leitete die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigungen die Gruppierung „Standarte Württemberg“ ein. Die Tätigkeit der Gruppierung soll darauf ausgerichtet gewesen sein, sich Schusswaffen und andere Waffen zu beschaffen, um damit gegen Personen ausländischer Herkunft vorzugehen. Sieben der zehn Mitglieder stammen aus dem Rems-Murr-Kreis.