Mangelndes Benehmen bei Kindern und Jugendlichen

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ZVW Uwe Roth 27.02.2015

Backnang. Betreten gucken, kein Hallo, und der Name bleibt geheim: Jugendliche, so scheint es, tun sich heutzutage schwer beim Grüßen und Kennenlernen von Erwachsenen. Das aber liegt mehr am Elternhaus als an ihnen. Es mangelt an Möglichkeiten, Rituale zu üben.

Junge Menschen sind höfliche Wesen. Das lässt sich beobachten: Sie lieben Begrüßungsrituale, nehmen sich in den Arm, Wangenkuss links, Wangenkuss rechts, die Jungs begegnen sich mit ritualisierten Handgesten. Täglich läuft vor der Schule die gleiche Prozedur ab, als habe man sich Jahre nicht gesehen.

Für Begrüßungen außerhalb des Freundeskreises – in der Welt der Erwachsenen – scheint es für sie dagegen keine allgemeinen Formeln zu geben. „Wenn meine Tochter neue Freunde mitbringt, rennen die wortlos an mir vorbei, kein Hallo, nichts“, sagt eine Mutter. Und grußlos verschwänden die Jugendlichen später wieder aus der Wohnung. Wenn die Erwachsene die jungen Gäste abfängt, um ein paar Minuten Small Talk zu machen, seien diese völlig irritiert, mehr als Drei-Wort-Sätze sei aus ihnen nicht herauszubekommen. Die Mutter fragt sich dann: Kein Benehmen oder ist die Jugend einfach bloß schüchtern?

Gudrun Weichselgartner-Nopper betreibt in Backnang eine Benimmschule für Kinder und Jugendliche. Sie hat sich so ihre Gedanken gemacht, warum manchem Kursteilnehmer zunächst jegliches Basiswissen über Höflichkeitsformeln fehlt. „Jugendliche wissen häufig nicht, wie man Fremde grüßt, wer zuerst wen anspricht, dass man sich mit Namen vorstellt oder wie man ein bisschen Small Talk macht“, sagt die Kniggetrainerin.

Böse Absicht kann sie darin allerdings selten erkennen. Die Jugendlichen wüssten einfach nicht, wie es richtig gemacht wird. Um nichts falsch zu machen, seien sie aus Unsicherheit lieber still. Dass sie mit dieser Ignoranz auf Erwachsene unhöflich wirkten, auf diese Idee kämen manche erst gar nicht, anderen sei ihre Außenwirkung auch egal.

Weichselgartner-Nopper ist davon überzeugt, dass der Grund oftmals im Elternhaus liegt und nicht bei den Kindern und Jugendlichen selbst. Regeln für das Benehmen in der Außenwelt würden in den Familien nicht mehr praktisch geübt, beobachtet die Trainerin. Früher sei es selbstverständlich gewesen, dass Eltern ihre Kinder beispielsweise zu Geburtstagsfeiern von Freunden mitgenommen haben. Auch fanden regelmäßig Familientreffen statt, bei denen Alt und Jung zusammenkamen. Solche Feste beginnen mit Begrüßungsritualien, bei Tisch lernte die Jugend, sich mit fernen Verwandten zu unterhalten, die ihnen gar nicht so nahestanden. Gleichzeitig wurden Essensrituale eingeübt.

„Kinder und Jugendliche lernen durch Nachahmung“, sagt die Trainerin. Heute nähmen Eltern aus praktischen Erwägungen ihre Kinder zu solchen Anlässen oftmals nicht mehr mit. Eltern ließen ihren Nachwuchs insbesondere dann zu Hause, wenn sie erwarteten, mit Kindern zur Minderheit zu gehören. „Ich habe eine Hochzeit erlebt, da gab es für die Kinder eine eigene Betreuung in einem separaten Raum. Von der eigentlichen Feier haben die Kids nichts mitbekommen“, schildert die Trainerin als ein Beispiel, warum Jugendlichen die Erwachsenenrituale so fremd bleiben. Insbesondere Jugendliche gehörten bei solchen feierlichen Anlässen nicht mehr dazu. Ihr Nein, zu einem (langweiligen) Familienfest nicht mitkommen zu wollen, werde von den Eltern ohne größere Diskussionen akzeptiert.

Am Ende täten sie ihrem Nachwuchs damit aber nichts Gutes. Weichselgartner-Nopper empfiehlt Eltern, solche Gelegenheiten zum Generationentreff zu schaffen. Sie können beispielsweise Freunde zum Essen einladen, bei denen die Kinder mit am gemeinsam gedeckten Tisch sitzen. Die Erwachsenen sollten die Kinder aktiv in die Gespräche miteinbeziehen. Kinder blieben gerne bei den Erwachsenen sitzen, wenn sie das Gefühl haben, Teil der Tischgemeinschaft zu sein.

Die Alternative wäre, sagt sie, den Kindern die Benimmregeln theoretisch beizubringen. Dass solche Anstandspredigten insbesondere bei Pubertierenden nicht gut ankommen, sei einleuchtend. „In meinen Kursen muss ich Jugendliche erst einmal eine halbe Stunde überzeugen, dass ich kein Besserwisser bin, sondern ich ihnen helfen will, beispielsweise bei Bewerbungsgesprächen gut anzukommen.“ Der erste Eindruck in solchen Situationen entstehe innerhalb von 22 Sekunden, sagt sie, dann sei in der Regel entschieden, ob man als Bewerber punktet oder seine Chance vertan hat.

Der gute Eindruck

Zu Beginn eines Vorstellungsgesprächs sagt man deutlich seinen Vor- und Zunamen.

Beim Handschlag schaut man dem Gegenüber in die Augen.

Die Körperhaltung ist aufrecht, auch im Sitzen.

Bitte und Danke kommen immer gut an.

Die Gesprächsführung überlässt man dem Gegenüber.