ZVW Uwe Roth 24.04.2017
40-jähriges Bestehen der Reinhold-Maier-Stiftung: Festakt und Podiumsdiskussion in der Schwabenlandhalle
Fellbach. Führende FDP-Politiker des Landes haben am Samstag in Fellbach das 40-jährige Bestehen der Reinhold-Maier-Stiftung gefeiert. Wie alle politischen Organisationen hat sie das Problem, junge Leute anzusprechen. So war die Veranstaltung der Frage nach „neuen Formaten der politischen Bildung“ gewidmet.
Ein Podiumsgespräch sollte Ideen liefern, wie die 1977 gegründete und nach dem in Schorndorf geborenen ersten Ministerpräsidenten des Landes benannte Stiftung den „Aufgaben politischer Bildung heute“, so der Titel, gerecht werden kann. Vor der Gründungsfeier in der Fellbacher Schwabenlandhalle hatte am Samstag früh der Verwaltungsrat der Stiftung getagt und bereits vorab darüber beraten. Aus diesem Gremium saßen auf dem Podium die beiden Landtagsabgeordneten Ulrich Goll und Jochen Haußmann sowie Jürgen Morlok, Ehrenvorsitzender der FDP Baden-Württemberg, und deren Generalsekretärin Judith Skudelny.
In einem waren sich die Diskutanten einig: Die FDP sei „eine Vernunftpartei“ und solle dies bleiben. Mit einem solchen Anspruch junge Leute zu erreichen, sei eine besondere Schwierigkeit. Darüber bestand ebenso Konsens. Goll drückte es vor dem überwiegend älteren Festpublikum so aus: „Die FDP ist die Partei der öden, blöden Vernunft.“ Das klinge wenig sexy, besonders in den Ohren junger Menschen, eher nach der „Partei der Spaßverderber“. Statt für ein neues Gesetz plädiere die FDP für mehr Eigenverantwortlichkeit. Das sei die richtige Politik, doch: „Wie schaffen wir es, dass unsere Inhalte wieder stärker interessieren?“
„Komplexe Zusammenhänge wieder leicht verständlich zu machen; zu vereinfachen, aber nicht zu verfälschen“
Wie es nicht mehr funktioniert, wussten die Podiumsteilnehmer. Zum Beispiel im Hinterzimmer einer Kneipe Zuhörern die Parteiinhalte zu dozieren. „Die Zeiten sind vorbei“, stellte Morlok fest. Gefragt seien vielmehr „neue Wege und neue Formate“. Doch in ihren Antworten blieben die Liberalen dazu im Vagen. Dass die sozialen Medien irgendwie dazugehören, war ihnen klar. Nur in welcher Form? Für den Ehrenvorsitzenden besteht die größte Herausforderung darin, geeignete Kommunikationskanäle zu finden und darüber „komplexe Zusammenhänge wieder leicht verständlich zu machen; zu vereinfachen, aber nicht zu verfälschen“. Letzteres sei die Methode der Populisten, namentlich die in der AfD.
Eine gewisse Ratlosigkeit herrschte auf dem Podium. Weil es anscheinend zu den „Aufgaben politischer Bildung heute“ wenig Erhellendes zu sagen gab, blieb den Podiumsteilnehmern viel Zeit, die eigenen politischen Leistungen zu würdigen und die (nicht anwesenden) politischen Gegner anzugreifen – insbesondere den SPD-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Martin Schulz, „mit seiner Gerechtigkeitsrhetorik“. Generalsekretärin Skudelny sah ihre Partei angesichts steigender Mitgliederzahlen und des Wahlergebnisses im Saarland „im Auftrieb“. Die Lage der Menschen in Deutschland sei besser als ihr Ruf, sagte sie. Es seien vor allem die Medien, „die immer neue Ängste schüren“.
Morlok beklagt „zu wenig echte Staatsbürger“
Dass sich Menschen vor Populismus selbst schützen können müssen, ist für Jürgen Morlok die Kernaufgabe politischer Bildung. Diese „muss einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass aus dem Bürger ein echter Staatsbürger wird“, sagte der ehemalige Fraktionsvorsitzende im Landtag (1976 bis 1984) in seinem Festvortrag. Ein politischer Mensch setze seine Fähigkeiten ein, „um demokratische Verhältnisse in Staat und Gesellschaft zu erhalten, zu verändern oder auch herzustellen“. Ein Staatsbürger lasse die „politischen Tugendwächter und Ordnungsrufer nicht zur Ruhe kommen“. Den „Denkfaulen und Patentrezeptinhabern“ wiederum raube er den Schlaf. Nicht zuletzt, weil es nach seinem Empfinden zu wenige echte Staatsbürger gibt, sieht Morlok den Staat in einer Vertrauenskrise.
Als Gründe nannte er den „schleppenden Umgang“ mit der Schuldenkrise in der Eurozone, die „Unfähigkeit Deutschlands und Europas“ im Schutz ihrer Grenzen und „gleichwohl die humanitären Herausforderungen der Flüchtlingshilfe zu bewältigen“. Krisenverstärkend seien ebenso das „Entstehen rechtsfreier Räume in urbanen Brennpunkten einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft“ und vor allem „die Erosion des Bildungssystems“. Schulnoten zu geben, so stellte er polemisch fest, werde „als diskriminierend abgetan“ und „Leistungsbereitschaft schon als eine Art Körperverletzung empfunden“.
Der Festakt fand letztlich zu einem harmonischen Ende: Nicht auf der Tagesordnung, weil es eine Überraschung werden sollte, stand eine besondere Ehrung für Ulrich Goll für seine Verdienste als langjähriger Stiftungsvorsitzender. Zwischen 1990 und 2016 bekleidete er dieses Amt. Er war damit der dienstälteste Vorsitzende einer Stiftung in Baden-Württemberg. Goll wurde von seinem Nachfolger Jochen Haußmann zum Ehrenmitglied des Verwaltungsrats ernannt. Es ist die erste Auszeichnung dieser Art.