ZVW Uwe Roth 03.02.2015
Der Kreis und seine Gesellschaften sind der größte Arbeitgeber zwischen Rems und Murr
Fellbach. Bei der Suche nach Kandidaten für die anstehende Landratswahl ist viel Parteipolitik im Spiel. Das ist üblich. Doch viel mehr als gute politische und persönliche Kontakte zu Kreistagsmitgliedern sollte ein Bewerber umfassende Managerqualitäten haben.
Bei genauer Betrachtung ist der Landrat Chef des immerhin drittgrößten Arbeitgebers im Kreis. Nimmt man die kreiseigenen Betriebe dazu, ist er hier der oberste Manager des größten Verbundunternehmens. Gleichzeitig wird ein Landrat für diesen aufwendigen Job vergleichsweise gering entlohnt. Im Rems-Murr-Kreis ist er als Verwaltungschef Vorgesetzter von insgesamt 1745 Kreisbediensteten. 96 von ihnen sind Führungskräfte. Dies sind ein Erster Landesbeamter, fünf Dezernenten, 20 Geschäftsbereichsleiter, 54 Fachbereichs- und 16 Fachgruppenleiter. Eine solche große Führungsmannschaft sollte der Landrat als oberste Instanz auch im Griff haben.
Der Landrat ist zudem Aufsichtsratsvorsitzender bei der Kreissparkasse, den Rems-Murr-Kliniken und der Abfallwirtschaftsgesellschaft mit zusammen mehreren Tausend Beschäftigten und Millionenumsätzen. Und nicht zu vergessen: Der Landrat ist Vorsitzender des Kreistags und repräsentiert den Landkreis mit seinen 411 000 Einwohnern nach außen. Dafür bekommt er keine 9000 Euro im Monat. Als Beamter auf Zeit wird er in die Besoldungsgruppe 6 eingruppiert.
Welche beruflichen Voraussetzungen ein Landrat mitbringen sollte, ist in der Verwaltungswissenschaft kaum erforscht. Studien zu Bürgermeister- und Oberbürgermeisterkandidaten gibt es dagegen zahlreich. Arne Pautsch ist Kommunalwissenschaftler an der Hochschule für Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. Nach seinen Beobachtungen sollte ein Landrat drei Kernkompetenzen in seinem Amt erfüllen können: Er muss zum einen eine Führungspersönlichkeit darstellen und viel von Personalführung verstehen.
Zum anderen sollte ein Landrat, obwohl er in erster Linie ein Verwaltungsbeamter ist, ein ausgewiesener politischer Stratege sein. Dritte Kompetenz ist laut dem Wissenschaftler ein diplomatisches Geschick. Ein geschicktes Händchen braucht er beispielsweise im Umgang mit den Bürgermeistern unter den Kreistagsmitgliedern. Die wollen für ihre Kommune immer mehr haben, als der Kreis geben kann. Ein Landrat muss Wünsche abschlagen können, ohne seine Bürgermeister dauerhaft zu vergrätzen. Schließlich ist er bei der Wiederwahl auch auf ihre Stimmen angewiesen. Oftmals werde vom Landrat in der Vielzahl seiner Funktionen die Quadratur des Kreises erwartet, sagt dazu der Kommunalrechtler.
Ein Landrat ist aber nicht nur auf die Zustimmung der Kreistagsmitglieder angewiesen, sondern vor allem auf die Loyalität seines Führungspersonals. Denn die Verwaltungsaufgaben eines Landkreises sind so vielfältig, dass ein einzelner Mensch das notwendige Fachwissen darüber nicht haben kann. Deswegen benötigt er Mitarbeiter, auf deren Kompetenzen er sich verlassen kann. Ein Landrat ist in seinem Zuständigkeitsbereich unter anderem der oberste Natur-, Umwelt-, Brand- und Katastrophenschützer, Lebensmittelkontrolleur, Straßenbauer, zuständig für die Jugendhilfe, für die Kreisschulen, Job-Center, Asylbewerber, Senioren, Menschen mit Behinderung und so weiter. Der Landrat sollte sich in der Krankenhauspolitik ebenso auskennen wie im Sparkassenrecht.
Ob ein Kandidat für das Amt des Landrats fachlich geeignet ist, prüft in Baden-Württemberg ein Ausschuss im Innenministerium. Das Land tut dies aus Eigennutz. Als untere Verwaltungsbehörde führt der Landkreis Aufgaben aus, die ihm das Land übertragen hat. Ein Landrat ist gleichzeitiger Chef der unteren Verwaltungsbehörde, und die will die Landesregierung in guten Händen wissen.
In Baden-Württemberg kommen die Landräte meistens aus der Verwaltung, weiß Pautsch. Quereinsteiger gebe es im Vergleich zu anderen Bundesländern eher selten. Das bestätigt auch Bernd Klee vom Landkreistag. Die meisten Landräte seien zuvor Dezernenten, Erste Landesbeamte oder auch Bürgermeister gewesen. Es gebe allerdings Ausnahmen. So habe der Landrat von Waldshut zuvor eine Rechtsanwaltskanzlei geführt.