Lästiges Phänomen: Brummen in der Nacht

Print Friendly, PDF & Email

SWP, Uwe Roth 21.03.2016

Einige Bürger der Stadt Leinfelden-Echterdingen leiden unter einem weltweiten Phänomen: Ein tiefer Dauerbrummton lässt sie nachts nicht schlafen. Die Stadtverwaltung will ihnen helfen, weiß aber nicht recht, wie.

Eva Noller ist Erste Bürgermeisterin und Leiterin des Technischen Dezernats der Stadt Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen). Dass sich die studierte Architektin und Stadtplanerin mal intensiv mit der Materie „Tieffrequenter Schall“ beschäftigen muss, hat sich die 47-Jährige bei ihrem Amtsantritt im Oktober 2013 nicht vorstellen können. Doch seither kommt ihr das Thema regelmäßig auf den Schreibtisch.

Bürger berichten ihr über schlaflose Nächte, weil stetiger Lärm, der sie an ein laufendes Dieselaggregat erinnert, sie schier in den Wahnsinn treibt. Erklärungen dafür gibt es nach ersten Lärmmessungen keine. „Die Töne werden durch irgendwas Technisches erzeugt“, ist sich Eva Noller sicher. „Aber die Ursache kann alles Mögliche sein: eine Ferngasleitung, eine Gasverdichterstation, eine Fernwasserleitung, die S-Bahn, die nahe gelegene Messe“ Auch geografisch lässt sich das Phänomen nicht einkreisen. Tatsächlich ist es aber so: „Die Häuser sind ziemlich verteilt in der Stadt“, stellt sie fest.

Ein Betroffener hat eine E-Mail-Adresse eingerichtet, an die Leidensgenossen schreiben können. Gut 70 haben sich bisher gemeldet. Von einem Massenphänomen jedoch will niemand sprechen. Denn wie lässt sich erklären, dass ein Mensch das nervige tiefe Brummen in seinem Haus hört, sein Nachbar mit gleich guten Ohren sich aber völlig ungestört fühlt? Lärm entsteht, wenn etwas schwingt. Das Erdreich unter dem Haus kann auf die Lärmquelle mit Vibrationen reagieren oder die Hauskonstruktion selbst. Es kann ebenso sein, dass einzelne Menschen auf tiefe Lärmfrequenzen sehr sensibel reagieren.

Eigentlich ist die Stadt für diese Lärmverschmutzung nicht zuständig, sondern das Landratsamt Esslingen. Das hat 2014 Fachleute geschickt, die bei der Auswertung zwar etwas festgestellt haben, aber „unterhalb der Hörschwelle und ohne erkennbare Ursache“. Weil die Klagen nicht abnahmen, wurde ein Experte für „tieffrequente Geräusche“ geholt, Professor Detlef Krahé von der Uni Wuppertal. Sein Messgerät kam den Tönen zwar auf die Schliche. Aber die Ergebnisse seien für die Ermittlung der Quelle nicht ausreichend, so der Experte.

Doch ausführlichere Messungen kosten Geld. Leinfelden-Echterdingen will nach Debatten im Gemeinderat maximal 5000 Euro zusätzlich beisteuern, den Rest müssten die Betroffenen übernehmen. Noller sieht sich in der Fürsorgepflicht. Der Stadt könnte es eigentlich egal sein, wie die Lärmgeplagten ihr (privates) Problem loswerden. „Diese Menschen sind aber keine Spinner. Sie haben schon selbst viel Geld ausgegeben, damit in ihr Leben wieder Ruhe einkehrt“, begründet sie ihr Engagement. Sie stellt sich die Frage: Wie geht es weiter, sollten die nächsten Messungen Töne unterhalb der zulässigen Schwelle liegen? „Dann gibt’s rechtlich keinen weiteren Handlungsbedarf.“

Weltweit wird über Ursachen von Dauerbrummtönen gerätselt. Über Lösungen wird selten berichtet. Sogar im Ozean gibt es das Phänomen. Einige Forscher vermuten, dass der seltsame Ton dort von Millionen von Meerestieren in der Tiefsee erzeugt wird, wenn sie ihre Schwimmblase entleeren.

Bürgermeisterin Noller will für ihre Stadt so schnell nicht aufgeben. Da sie auch für die Stadtwerke zuständig ist, will sie auch die Experten für die Versorgungsnetze zu Rate ziehen.

Zusatzinfo

Tieffrequenter Schall

Definition Als Infraschall bezeichnet das Umweltbundesamt Luftschallwellen unterhalb des menschlichen Hörbereiches. Infraschall liegt zwischen 0,1 und 20 Hertz, tieffrequenter Schall unterhalb von 100 Hertz. Der Schall tritt in vielen Bereichen auf.

Beispiele Transformatorenstationen, Kompressoren, Dieselmotoren oder Pumpen können tieffrequente Geräusche verursachen. Bestimmte Anlagen unterliegen dem Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG).

Vorschrift Die Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können.