Demo Uwe Roth 27.04.2017
Offiziell ist es der „Kombi-Bus“, der seit September 2012 nicht allein Fahrgäste durch den Landkreis Uckermark transportiert, sondern im Laderaum auch Lebensmittel – vor allem Kühlboxen mit Wurst und Käse. Die werden dort abgeladen, wo der letzte Lebensmittel laden längst geschlossen hat, Hoteliers und Gastronomen auf die regionalen Spezialitäten für die Gästeverpflegung warten.
„Die Daseinsvorsorge in einem Landkreis aufrechtzuerhalten, der zu den am dünnsten besiedelten Räumen in Deutschland gehört und gleichzeitig von der Fläche größer als das Saarland ist, ist eine ständige Herausforderung“, stellt Dietmar Schulze (SPD) fest. Seit dem Jahr 2010 kämpft der frühere Staatssekretär im brandenburgischen Landwirtschaftsministerium gegen den Bevölkerungsschwund. Seit dem Jahr 2000 sind es laut amtlicher Statistik rund 25.000 Kreisbewohner weniger, aktuell etwa 120.000.
Um auch die älteren Menschen mobil zu halten, investiert der Landkreis jährlich vier Millionen Euro in den Busverkehr. Das seien drei Millionen Euro mehr als im Nachbarkreis, sagt der Landrat. Dass das Busunternehmen dem Kreis gehört, sieht er als einen entscheidenden Vorteil. So könnten das Angebot flexibel der Nachfrage angepasst und beispielsweise kleinere Busse angeschafft werden. Seit er im Amt ist, habe sich der Kreishaushalt gut entwickelt, stellt er fest. Doch ohne Fördermittel aus Berlin und Brüssel sind auch bei ihm innovative Mobilitätskonzepte nicht umsetzbar. So bekam der Kombi-Bus eine Anschubfinanzierung. Nach drei Jahren ist diese ausgelaufen, und der Kreistag stand vor der Entscheidung, den Service aus Eigenmitteln aufrechtzuerhalten. Die Mehrheit entschied sich fürs Weitermachen, zumal die Aussicht besteht, dass der Dienst seine Kosten einfährt, weil die Händler für ihre Transportboxen ein entsprechendes Ticket ziehen müssen. „Plus minus Null“, erhofft sich Schulze. Er sieht den Dienst nicht als Daseinsvorsorge, sondern als eine Wirtschaftsförderung.
Die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten, ist in den meisten ländlichen Räumen eine Herausforderung.
Dietmar Schulze (SPD), Landrat Landkreis Uckermark
Trotz weiter Wege vom Dorf in die Stadt, nicht jedes Fahrdienstangebot ist im Landkreis Uckermark erfolgreich: Ein Test mit einem Arzt-Shuttle, der Patienten einsammelte, um sie in die nächste Praxis zu fahren, musste mangels Interesse abgebrochen werden. „Es sind nicht genug Leute eingestiegen“, sagt der Landrat, der über die Gründe nur spekulieren kann. Die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten ist in den meisten ländlichen Räumen eine Herausforderung.
Im Landkreis Wolfenbüttel in Ost-Niedersachsen kam der Hausarzt im Praxisbus sogar in die Dörfer. Von 2013 bis zum Jahr 2015 hielt er am Dorfgemeinschaftshaus, der Dorfschule oder auf dem Schützenplatz. Die „Rollende Arztpraxis“ wurde ausgezeichnet und war dann doch schnell ein Auslaufmodell. „Die Rollende Arztpraxis könne die ländliche Versorgung ergänzen, aber nur ungefähr die halbe Kapazität einer Hausarztpraxis erreichen. Das genügt nicht, um am Netz zu bleiben“, urteilte die für die Finanzierung zuständige Kassenärztliche Vereinigung. Landrätin Christiana Steinbrügge (SPD) zeigte sich nach Auslauf der Projektes enttäuscht: „Trotz der positiven Zwischenbilanz scheint die Rollende Arztpraxis noch nicht das geeignete Instrument für unsere Region zu sein. Offenbar ist die ärztliche Versorgung für unseren Bereich derzeit noch ausreichend.“ Die Ärzte-Zeitung schrieb damals: „Als Subventionsprojekt liegengeblieben.“
Die Strategie von Landrat Schulze ist: statt neue Mobilitätsdienste auszuprobieren, die ambulante und stationäre Behandlung in den Krankenhäusern enger zu verzahnen. Dem Gesetzgeber ist er nach seinen Worten dankbar, dass dieser „die Mauer zwischen beiden Teilen endlich durchschlagen hat.“ Mit Strukturdefiziten werden die ländlichen Landkreise in den kommenden Jahren noch stärker zu kämpfen haben. Viele Fördermittel wird es weiterhin geben, auch wenn die Aussicht, dass die Projekte sich selbst tragen, gering ist. Ob dieser Weg richtig ist, will Schulze nicht entscheiden. „Die Frage ist nicht mit Ja oder Nein, schwarz oder weiß zu beantworten“, sagt er. Es gehe darum, die richtigen Entwicklungen wahrzunehmen. „Grundrauschen“ sagt er dazu.