Bietigheimer Zeitung Uwe Roth
Krankenkassen und Rettungsorganisationen geben für den Rettungsdienst im Landkreis Ludwigsburg immer mehr Geld aus. Auch Fehlalarme müssen bezahlt werden. Land will Notrufannahme und Disposition optimieren.
Silvester ist Hochbetrieb in der Notrufzentrale. Unentwegt werden die fünf Disponenten in der integrierten Leitstelle in Ludwigsburg 112-Anrufe annehmen. Darunter werden welche von Menschen sein, die einfach nur betrunken sind und auf Verdacht den Rettungsdienst anfordern. Klingen die Schilderungen der Symptome ausreichend dramatisch, wird parallel zum Rettungswagen der Notarzt losgeschickt. Stellt sich am Einsatzort heraus, dass alles falscher Alarm war, bleibt die Frage: Wer übernimmt die Kosten?
Laut dem Anwaltportal Advopedia verursacht ein einfacher Krankenwagen im Rettungseinsatz Kosten von 100 Euro pro Stunde, ein Notarzteinsatzfahrzeug 160, ein voll ausgestattetes Rettungsfahrzeug mehr als 300 Euro. Fragt man in Ludwigsburg beim Deutschen Roten Kreis DRK und der AOK nach, wer die finanzielle Verantwortung insbesondere bei einem Fehlalarm trägt, kommt die eindeutige Antwort: Für sämtliche Einsätze kommt die Solidargemeinschaft auf, also die Beitragszahler der Krankenkassen.
Rettungsdienst schreibt keine Rechnung bei Fehlmeldungen
Die Mitarbeiter der Leitstelle sind für ihre Aufgabe ausgebildet. „Sie achten beim Anrufer auf bestimmte Begriffe für eine Notfallindikation oder sie fragen danach“, erläutert DRK-Kreisgeschäftsführer Manfred Hormann. Solche Indikatoren sind zum Beispiel „Schmerzen in der Brust“, „Atemnot“ oder eine „einseitige Lähmung“. Deutet sich im Gespräch ansatzweise ein Notfall an, werden die Rettungskräfte und gegebenenfalls der Notarztwagen alarmiert, und zwar nach dem Grundsatz, lieber einmal zu viel als einmal zu wenig, sagt Hormann. Das heißt, auch wenn sich die akute Atemnot als Folgen eines Schnupfens herausstellen sollte, wird die Kostenübernahme nicht in Frage gestellt. Zeugen eines Unfalls, die vorsorglich die 112 wählen, bekommen ebenfalls keine Rechnung, sollte sich nach dem Eintreffen der Rettungskräfte herausstellen, dass niemand ernsthaft verletzt ist.
Das ist auch dann der Fall, wenn der Patient direkt oder indirekt eine Mitschuld am Rettungseinsatz trägt. In den Fokus der Diskussion um steigende Gesundheitskosten geraten immer wieder Raucher, Risikosportler oder stark Übergewichtige. Im Rettungswesen werden solche Fragen nicht gestellt. Die Kosten werden intern abgerechnet.
Seit acht Jahren steigt die Zahl der Einsätze um bis zu vier Prozent im Jahr
Eberhard Kraut, stellvertretender Geschäftsführer der AOK Ludwigsburg-Rems-Murr, erläutert das System: „Die von den Krankenkassen bezahlten Entgelte für einen durchgeführten Transport stellen vorläufige Abschlagszahlungen zu einem jährlich vereinbarten Budget dar.“ Mit diesem Budget seien auch Fehleinsätze abgegolten. Sollte der Verdacht bestehen, dass jemand die Notfallnummer vorsätzlich missbrauche, „wird diesem nachgegangen“. Für den Rettungsdienst geben Kassen und Rettungsorganisationen immer mehr Geld aus.
Kraut stellt fest: „Landesweit gibt es einen klaren Trend zu einer deutlich steigenden Anzahl von Notrufen, die bei den Integrierten Leitstellen eingehen.“ Die Einsatzzahlen für Rettungswagen nehmen laut Statistik zu, und für den Notarzt stagnierten sie hingegen im Vergleich zum Vorjahr. Der DRK-Geschäftsführer wiederum schätzt die Steigerung bei den Einsätzen auf zwei bis vier Prozent jährlich – und das bereits seit acht Jahren. Dies zeige sich an der Notwendigkeit, zusätzliche Rettungsfahrzeuge für den Kreis anzuschaffen und Rettungssanitäter auszubilden.
Die Steigerungen seien aber „nicht ursächlich in einem Missbrauch des Rettungsdienstes zu sehen“, stellt der stellvertretende AOK-Geschäftsführer klar. Derzeit prüfe das Land unterschiedliche Notrufabfragesysteme, um die Qualität der Notrufannahme und Disposition zu optimieren. Außerdem habe die Landesregierung eine digitale Dokumentation für den Rettungsdienst beschlossen und umgesetzt. Die Auswertung habe eine unabhängige Stabstelle zur Qualitätssicherung im Rettungsdienst übernommen. Dort würden Fehleinsätze durch Falschmeldungen beleuchtet. Danach werde man klarer sehen, welche Gesundheitskosten die Fehlalarme verursachten, so der AOK-Geschäftsführer.