SWP Uwe Roth 18.02.2017
Als Konsequenz aus der Millionen-Finanzmisere verzichtet das Klinikum Stuttgart auf die Akquise ausländischer Patienten. Die Aufarbeitung der Affäre ist damit längst nicht abgeschlossen.
Für drei Ex-Führungskräfte des Klinikums Stuttgart dürfte der Freitag ein unruhiger gewesen sein. Um 8.30 Uhr hatte im Rathaus der Krankenhausausschuss über einen brisanten Untersuchungsbericht beraten. Eine Anwaltskanzlei war von der Stadt beauftragt worden, aufzuarbeiten, wie es in der inzwischen aufgelösten International Unit (IU) am Klinikum zu den Verlusten in zweistelliger Millionenhöhe kommen konnte und ob Hoffnung besteht, sich mit Regressforderungen gegen einen früheren Geschäftsführer sowie zwei ehemaligen Ärztliche Direktoren vor Gericht durchzusetzen.
Der Ausschuss tagte nicht öffentlich. Der fürs Krankenhauswesen zuständige Bürgermeister Michael Föll (CDU) will auf Anfrage nichts zum Inhalt des Berichts sagen. Er begründet sein Schweigen mit dem Datenschutz und staatsanwaltlicher Vorermittlungen, die noch nicht abgeschlossen seien. Er betont aber, er wolle „alle Möglichkeiten ausschöpfen“, um wenigstens einen Teil der Verluste auszugleichen. Hoffnung setzt er in die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die das Klinikum für die Führungskräfte abgeschlossen habe (siehe Infokasten).
Ein „Staat im Staate“
Die IU war bis Ende vergangenen Jahres innerhalb der Krankenhausverwaltung eine eigenständige Abteilung. Als die Unregelmäßigkeiten entdeckt wurden, stellte Föll fest, dass die IU wohl etwas zu eigenständig ihre Geschäfte betrieb. Gewissermaßen „ein Staat im Staate“, so der Stellvertreter von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Die IU-Mitarbeiter hatten den Auftrag, das Klinikum mit ausländischen Gästen zu versorgen. Vermittler vorwiegend im arabischen Raum halfen dabei – gegen Provision. Ein Geschäft mit der lybischen Regierung ging komplett schief. Vereinbart war darin die Behandlung Kriegsversehrter. Auf den Kosten von über neun Millionen Euro ist das Klinikum wegen wahrscheinlich fehlerhaften Managements bis heute sitzengeblieben.
Kostenvoranschlag und Vorkasse
Föll hat sämtliche Verträge mit Vermittlern und Beratern, die unterm Strich Millionen verdienten, aufgelöst. Er habe dies auch wegen moralischer Erwägungen getan. „Die Patientenvermittlung gegen Geld ist in Deutschland nicht zulässig“, stellt er gegenüber dieser Zeitung fest. Die einen würden es Provisionszahlung nennen, andere Bestechung. „Ein solches Geschäftsgebaren lehne ich ab.“ Bestehende Kontakte zu Botschaften würden aber weiter gepflegt. Von dort vermittelte Patienten werden vorsichtshalber nur noch auf Grundlage eines Kostenvoranschlags und gegen Vorkasse behandelt.
Selbstzahler seien willkommen, umschreibt Föll den künftigen Umgang mit Auslandspatienten ohne eine in Deutschland anerkannte Krankenversicherung. Nach seiner Schätzung sollen im laufenden Jahr auch ohne Akquise etwa 800 stationäre und 3800 ambulante Patienten aus dem Ausland kommen. Die könnten einen Umsatz von etwa neun Millionen Euro bringen. Der Gesamtumsatz des Klinikums liegt bei rund 650 Millionen Euro.
Nebengeschäft mit Risiken
Der Finanzbürgermeister hat die Verantwortung fürs städtische Klinikum erst mit Hochkochen des Skandals übertragen bekommen und wundert sich heute, warum die damaligen Manager in diesem „Nebengeschäft“ so viele Risiken eingegangen sind. Er versteht die Aufarbeitung der Affäre als einen allgemeinen Weckruf, das Klinikum, das jährlich ein Defizit von 25 Millionen Euro in den kommunalen Haushalt reißt, besser aufzustellen.
Eine Unternehmensberatung hat dazu Vorschläge ausgearbeitet, die im März debattiert werden sollen. Eines stellt Föll bereits fest: Als Maximalversorger arbeite das Klinikum unter seinen Möglichkeiten. Das heißt, es werden zu viele einfache Fälle mit teurer Medizintechnik behandelt, die der Kosten wegen in Krankenhäusern mit weniger guter Ausstattung oder bei einem Facharzt besser aufgehoben wären. Das könne nicht kostendeckend sein. Folglich müsse sich das Klinikum auf die schweren Fälle konzentrieren. Dazu werde die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten und anderen Krankenhäusern gestärkt.
Neue Chefs starten im April
Große Hoffnung setzt der Bürgermeister auf die zwei neuen Geschäftsführer. Sie kommen von der Berliner Charité und treten im April ihr Amt an. Einer der beiden war im Großklinikum der Bundeshauptstadt für die Finanzen zuständig, der andere Leiter des Klinischen Qualitäts- und Risikomanagements. Zusammen sollen sie nicht nur die finanzielle Situation auf Vordermann bringen, sondern das Betriebsklima verbessern. Das habe unter dem seitherigen Management sichtlich gelitten, so Föll.
Managerhaftung Die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ist für Berufsgruppen in Deutschland wie Steuerberater, Anwälte oder Versicherungsvermittler gesetzlich vorgeschrieben, für andere ist sie freiwillig. Versichert sind reine Vermögensschäden, die nicht aus einem Personen- oder Sachschaden entstanden sind. In der Vermögensschadenhaftpflicht sind grundsätzlich alle Mitarbeiter des Betriebs und die Geschäftsführung versichert. Diese Versicherungsform greift zum Beispiel dann, wenn durch die falsche Beratung von Anwälten, Finanz- oder Steuerberatern oder aber Medizinern und Architekten ein konkreter finanzieller oder materieller Nachteil entsteht. uro