Klinikum Stuttgart: Mit klaren Regeln gegen Unterschlagung und Chaos

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SWP Uwe Roth 04.11.2016

Dubiose Auslandsmachenschaften im Klinikum Stuttgart sorgen ein halbes Jahr nach der Entlassung des Geschäftsführers weiter für Entsetzen. Neben internen Revisoren hat die Stadtverwaltung eine Anwaltskanzlei beauftragt, Licht in ein Chaos zu bringen, das die sogenannte International Unit (IU) in den vergangenen drei Jahren produziert hat.

Nach Durchsicht von Unterlagen und Computern über die Geschäfte mit Behörden in Libyen und Kuweit sind sich die Juristen einig: In der Krankenhausverwaltung sind „dolose Handlungen“ passiert. Der lateinische Begriff steht für trügerisch und arglistig. Wirtschaftsprüfer verwenden ihn bei Bilanzmanipulationen, Untreue oder Unterschlagung. Dolos ist jedenfalls ein Stichwort, bei dem ein Staatsanwalt hellhörig und aktiv wird.

Führungskräfte überfordert

Die IU-Mitarbeiter haben die Aufgabe, für Auslandsumsätze zu sorgen und Patienten „aus aller Welt“, so die Beschreibung auf der Internetseite, nach Stuttgart zu bringen. Doch damit schienen insbesondere die Führungskräfte überfordert: Der Klinikgeschäftsführer musste im März mit einer Abfindung von 900 000 Euro seinen Hut nehmen, der Abteilungsleiter ist seit Monaten freigestellt, und der Ärztliche Direktor hat freiwillig seinen Arbeitsplatz verlassen und in Frankfurt einen neuen gefunden.

Ob die Geschassten damit fein raus sind, ist eher unwahrscheinlich. Der für das Klinikum zuständige Erste Bürgermeister Michael Föll (CDU) hat erklärt, dass die Stadt unabhängig von laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Steuerbehörden in Abstimmung mit den Versicherungen „Regress- und Haftungsansprüche gegen Beteiligte“ prüfe. Das Klinikum selbst hat nach Angaben der Stadt für das Haushaltsjahr 2015 Rückstellungen und Wertberichtigungen in Höhe von knapp zehn Millionen Euro gebildet, um möglichen Steuernachzahlungen oder weiteren Schadensforderungen nachkommen zu können. Diese Summe gesellt sich zu den Gesamtverlusten von rund 25 Millionen Euro im Jahr 2014 und 27,6 Millionen im vergangenen Jahr.

Die Vorgeschichte: Im Juni 2013 hatte die Auslandsabteilung einen Vertrag mit der libyschen Übergangsregierung zur Behandlung Kriegsversehrter im Klinikum Stuttgart und anderen Kliniken in Deutschland geschlossen. Die Stuttgarter erbrachten neben den medizinischen Leistungen für 370 Patienten auch „Regieleistungen“, wie die Auszahlung von Taschen- und Essensgeldern an Patienten, und sorgten für deren außerstationäre Unterbringung. In Kuwait unterstützt das Klinikum seit Februar 2014 ein Krankenhaus bei der Modernisierung des Managements sowie der medizinischen Ausstattung.

Realistisch kalkuliert waren die Projekte nicht, stellten die Prüfer fest. Ihre Arbeit wurde durch das Gegenteil von Transparenz erschwert. 25 Millionen Euro gingen allein an Berater. Wozu, weshalb, wieso? Aus den Mails, die an den Abteilungsleiter gingen, konnten sie nicht schlau werden. 20 000, so heißt es, fanden die Kontrolleure unsortiert im Posteingang. Das ganze Ausmaß an Ungereimheiten wollen die Anwälte bis Jahresende in ihrem abschließenden Bericht vorlegen.

Alleinstellungsmerkmal

Im Klinikum Ludwigsburg ist die Geschäftsführung der Überzeugung, dass es zu solchen Vorfällen wie in Stuttgart erst gar nicht kommen kann. Als einzige kommunale Klinik in der Region hat der Verbund aus neun Kliniken eine Antikorruptionsvereinbarung eingeführt, eine sogenannte Corporate Governance. Zudem ist er Mitglied bei Transparency International Deutschland. Die Organisation achtet auf die Einhaltung ihrer strengen Regeln. Sie umfassen neben Antikorruption unter anderem die Themenbereiche Beschaffung, Drittmittel, Revision, Risikomanagement und Sponsoring.

„Da gehört zum Beispiel dazu, dass Pharmavertreter nicht auf die einzelnen Stationen dürfen, sondern sich an den zentralen Einkauf wenden müssen“, erläutert Amelie Meeh aus dem Referat der Geschäftsleitung und betont, dass die Vereinbarung vor zwei Jahren „ohne besonderen Anlass“ ins Unternehmen integriert worden sei. Die Regeln haben auf alle Vertragsabschlüsse Einfluss. Selbst Dienstreisen unterstehen der Corporate Governance. Neue Mitarbeiter erhalten diesbezüglich eine Schulung. Von externen Partnern erwartet die Klinik, „dass sie die Konzernregelung anerkennen und mittragen“.

Abteilung wird aufgelöst

Im Klinikum Stuttgart hat man Lehren gezogen und die Geschäftsordnung den Transparenzregeln entsprechend angepasst. Eine Zertifizierung, wie sie die Ludwigsburger von Transparency International haben, gibt es in Stuttgart jedoch nicht. Als weitere Konsequenz wird die Auslandsabteilung bis Jahresende aufgelöst. Auf den Umsatz mit vermögenden Auslandspatienten will die Stadt jedoch nicht verzichten. „Die Abläufe für die Behandlung ausländischer Patienten sollen in die üblichen Geschäftsvorgänge des Klinikums Stuttgart integriert werden“, kündigte die Geschäftsführung an.

Organisation Transparency International ist eine 1993 gegründete gemeinnützige und parteipolitisch unabhängig agierende Institution, die global gegen Korruption kämpft. Ziel ist die Schaffung einer auf Vertrauen, Werten und Transparenz basierenden Kultur. Die Mitgliedschaft von Firmen und Institutionen schafft die Möglichkeit, voneinander zu lernen, in dem man einen Erfahrungsaustausch über Systeme und Verfahren zur Korruptionsbekämpfung pflegt. uro