Die Reste der St.-Peter-Kirche in Stuttgart-Bad Cannstatt. Foto: Uwe Roth

Kirchenbau: Abriss schon nach 50 Jahren

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SWP UWE ROTH |

Der Neubau einer Kirche ist selten. In Bad Cannstatt wird für sechs Millionen Euro die St.-Peter-Kirche ersetzt. Sie war bei ihrem Abriss erst 50 Jahre alt.

Was von einer Kirche übrig blieb: Mitten im vornehmen Wohngebiet Memberg im Stadtteil Bad Cannstatt steht am Rand einer umzäunten Brache der hässliche Rest einer Betonwand. Aus der oberen Abrisskante ragt ein Gewirr rostiger Eisenstäbe. Vom Dach sind ein paar verwitterte Holzlatten übrig geblieben. Dies könnte die Rückwand des Altarraums gewesen sein.

Im Juni war mit dem Abriss der St.-Peter-Kirche, einem Gemeindezentrum und Kindergarten begonnen worden. Der meiste Bauschutt ist abtransportiert, das Gelände plattgemacht. Ein eher kleines Warnschild erklärt, warum die Abbruchfirma einen Bogen um das übrig gebliebene Gebäudefragment gemacht hat: Asbest. „Das hat vorher niemand gewusst“, sagt Pfarrer Martin Kneer. Er ist ansonsten gelassen. Nach der Planung wird erst im Februar 2017 mit dem Neubau begonnen. Bis dahin dürfte eine Spezialfirma die Reste, die Lungenkrebs auslösen können,  beseitigt haben.

Die Ausschreibung dazu läuft derzeit, sagt der Pfarrer, der viel lieber darüber spricht, dass ein Ersatz für den maroden Betonbau nie in Frage gestellt worden sei – und das in Zeiten stetiger Kirchenaustritte und zwei weiterer katholischen Kirchen nicht allzu weit entfernt im gleichen Stadtteil. Allein im Bistum Rottenburg-Stuttgart haben nach jüngsten Zahlen im vergangenen Jahr rund 15 000 Mitglieder die katholische Kirche verlassen. In seiner Gemeinde hingegen, so betont Pfarrer Kneer, liege die Zahl der Mitglieder mit 2000 einigermaßen stabil.

Gleichwohl sei der Kirchenraum mit seinen 500 Plätzen am Ende überdimensioniert gewesen. „Der Riesenraum war nur noch an Weihnachten oder besonderen Gottesdiensten wie Kommunion gefüllt“, sagt der Geistliche. Umgekehrt war die Kindertagesstätte auf dem Gelände für den wachsenden Bedarf viel zu klein geworden. Die Größenverhältnisse stimmten nicht mehr.

Aber das war nicht der eigentliche Anlass, die Abrissbirne schwingen zu lassen. Die St.-Peter-Kirche war ein typisches Produkt der Kirchenarchitektur in den 1970er Jahren. Wenige Jahre nach der Einweihung 1972 nervten bereits bauliche Mängel. Besonders schlimm: Es zog wie Hechtsuppe. Pfarrer Martin Kneer beschreibt die Misere:  „Im Winter mussten wir Decken für die Besucher des Gottesdienstes auslegen, weil wir die Kirche nie richtig heizen konnten.“

Bei Veranstaltungen im Gemeindezentrum holten die Besucher in der kalten Jahreszeit ihre Mäntel nach kurzer Zeit. „Das hat bei der alljährlichen Bibelwoche im Herbst nicht gerade für eine gemütliche Atmosphäre gesorgt.“ Hohe Heizkosten von bis zu 70 000 Euro im Jahr seien die Folge gewesen. Zudem drang immer wieder Wasser in die Decke der Kirche und ins Gemeindezentrum ein.

Seit 2009 hat sich der Kirchengemeinderat mit der Frage beschäftigt, was mit dem schönen, aber unpraktischen Kirchenbau geschehen soll. Fünf Jahre später wurde der Architekturwettbewerb ausgelobt. Die neue Kirche soll im ersten Halbjahr 2019 eingeweiht werden. Um die Kosten von 6,3 Millionen Euro finanzieren zu können, hat die Kirche einen Teil des Geländes an die Stiftung Liebenau bei Ravensburg verkauft.

Sie baut als zweite Außenstelle in Stuttgart ein Wohnheim für 24 Erwachsene mit Behinderung. Daneben entsteht ein Förder- und Werkstattbereich. Die Fertigstellung ist Ende 2017 geplant. „Es ist für uns ein Experiment“, heißt es von der Liebenau. „Dadurch, dass die Gemeinde und die Kita gleich nebenan sind, können wir den Behinderten ein bisschen mehr Normalität bieten, einfach durch die ungezwungene Begegnung im Alltag. Normalität ist das, was uns fehlt.“

Die künftige Kirche mit 100 Plätzen auf 240 Quadratmetern werde als Sakralbau deutlich zu erkennen sein, auch wenn mit den Gemeinderäumen und der Kita ein großer Teil eine weltliche Nutzung habe, sagt Alexander Schmidt, Leiter der Abteilung Bauen und Liegenschaften bei der Katholischen Kirche Stuttgart. Der Zugang zur Kirche, Kita  und zu den Gemeinderäumen erfolgt über ein gemeinsames Foyer. „Vieles, was man landläufig mit einer Kirche verbindet, das Kirchenschiff und der Turm etwa, fehlen in modernen Sakralbauten.“ Die Kirche werde aber beispielsweise an der Raumhöhe über dem Altar zu erkennen sein.

Zudem werde es verschiedene Orte geben, wie man sie aus großen Kirchen kenne: einen Bereich für Taufe, eine Nische für die Marienstatue, einen optisch abgetrennten Altarraum, eine kleine Seitenkapelle für Meditationen. „Wenn man die Schwelle übertritt, wird man sofort spüren, dass man sich in einem Sakralraum befindet“, versichert Schmidt.

Begegnungszentrum für den Stadtteil

Finanzierung Die Stiftung Liebenau hat für das Gelände 1,2 Millionen Euro an die Kirche bezahlt und investiert weitere 3,2 Millionen Euro. Die Stadt Stuttgart zahlt 2,6 Millionen für den Neubau der Kita, 1,7 Millionen kommen vom Stadtdekanat, 550 000 von der Diözese Rottenburg-Stuttgart und 1,4 Millionen Euro von der Gemeinde St. Peter.

Wandel St. Peter ist der erste Abriss und Neubau einer Kirche im Zuge des Projektes Aufbrechen, dessen Ziel es ist, die katholische Kirche in Stuttgart zukunftsfähig zu machen. St. Peter soll zum Begegnungszentrum für den Stadtteil werden.uro