ZVW Uwe Roth 10.06.2017
Waiblingen/Duisburg. Die Städte und Gemeinden des Rems-Murr-Kreises sind Teil der Internationalen Bauausstellung (IBA) Region Stuttgart. Eine Delegation des Verbands Region Stuttgart und der Wirtschaftsförderung ist mit einigen Journalisten ins Ruhrgebiet gereist, um sich Anregungen von einer IBA zu holen, die dort vor 20 Jahren stattgefunden hat. Eine Erkenntnis lautet: Architekturideen zu haben ist das eine. Die Beteiligten ein Jahrzehnt bei der Stange zu halten ist die größere Herausforderung.
In der Region Stuttgart sollen in den kommenden zehn Jahren, also bis ins Jahr 2027, Ideen umgesetzt werden, die die Anforderungen ans Wohnen, Arbeiten und an die Mobilität der 30er Jahre des 21. Jahrhunderts erfüllen. Die Initiatoren der IBA Region Stuttgart (siehe „Die Internationale Bauausstellung 2027“) sind sich im Klaren darüber, dass „Schöner Wohnen“ oder ein Reihenhaus mit Grasdach für eine IBA nicht ausreichen wird. Stattdessen sind es im besten Fall Projekte, die es so heute noch nicht gibt. Vage Ideen, die exemplarisch für eine Neuausrichtung der Siedlungspolitik in der Region stehen, liegen vor. Doch bis zur Umsetzung ist der Weg holprig. Auf diesem bauen sich Hindernisse auf in Form von Bauvorschriften, Förderkriterien, ausbleibenden Geldzusagen, Anwohnerprotesten und Entscheidungsträgern, die nach euphorischen Beschlüssen schnell mal die Angst vor der eigenen Courage ereilt.
In Duisburg, der ersten Station, wurde die Delegation aus Stuttgart an den Bürgerentscheid in Stetten erinnert, der den geplanten Aussichtssteg des Stuttgarter Büros Schlaich Bergermann Partner zum Kippen gebracht hat. Der Bauingenieur Jörg Schlaich aus dem Remstal hatte mit seinen spektakulären Brückenbauten bei der IBA Emscher Park einige Erfolge erzielt. Darunter die Buckelbrücke, die erste höhenverstellbare Hängebrücke der Welt, die im Hafenbecken der Stadt ein Besichtigungspunkt war.
IBA: 17 Städte mussten lange Jahre im Boot gehalten werden
Obwohl der Abschluss der IBA Emscher Park fast 20 Jahre zurückliegt, ist das Thema im Dreieck der Megastädte Duisburg, Essen und Bottrop weiterhin populär und wichtig, erfuhren die Teilnehmer der Reise, die von Thomas Kiwitt, Leitender Technischer Direktor des VRS, angeführt wurde. So nahmen sich unter anderem der Staatssekretär des Bauministeriums, der Bereichsleiter Umwelt des Regionalverbands Ruhr, der in Duisburg für die Stadtentwicklung zuständige Beigeordnete und der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft ausreichend Zeit zu erklären, worauf es bei der Realisierung der Ideen im Wesentlichen ankommt: auf eine gute Kommunikation und die Bildung von Netzwerken. 17 Städte mussten lange Jahre im Boot gehalten werden. In der Region Stuttgart sind es 179 Kommunen.
Ständig fiel der Name des ehemaligen IBA-Geschäftsführers Karl Ganser, der mit seiner Begeisterung alle mitgerissen habe – egal ob Investoren, Bürger oder Politiker. Geld, so schien es den Besuchern aus Stuttgart, war weniger das Problem. Das schien über den bis 1995 vom Verbraucher bezahlten Kohlepfennig ausreichend vorhanden gewesen zu sein. In 120 Projekte wurden 2,5 Milliarden Euro investiert.
„Was du nicht verstecken kannst, das halte“
An den realisierten Projekten der IBA Emscher Park wird sich die IBA Stuttgart nicht orientieren können. Im Ruhrgebiet schlossen damals viele Zechen, Gießereien und Kokereien. Für riesige und großflächige Anlagen musste eine neue Nutzung gefunden wird. „Was du nicht verstecken kannst, das halte“, lautete ein Motto. Zu den im Rahmen der IBA erhaltenen Monumenten, deren Abriss viele Millionen gekostet hätte, gehören der Gasometer in Oberhausen, die Zeche Zollverein in Essen oder der Landschaftspark Duisburg-Nord. Diese spektakulären Industriebauten werden heute als Museen, Ausstellungshallen oder Aussichtspunkte für Besucher genutzt. Die Sanierung einer Bergarbeitersiedlung ist ein sinnvolles, aber eher unspektakuläres Projekt gewesen.
Die Monumente sind im Ruhrpott als Symbole des Strukturwandels erhalten geblieben. Der kam in den 1990er Jahren sehr viel offensichtlicher daher als der Strukturwandel, der sich in der Region Stuttgart durch die Umstellung auf die Produktion von E-Autos, die Wirtschaft 4.0 sowie den demografischen Wandel anbahnt. Jede Zechenschließung hatte Tausende arbeitslos gemacht und in der Bevölkerung für Aufregung gesorgt. Was mit der Zeche passierte, interessierte jeden. Von der öffentlichen Wahrnehmung des Wandels profitierte die IBA.
Ideen für die IBA im Rems-Murr-Kreis gesucht
Wenn hingegen im Rems-Murr-Kreis ein kleiner Unternehmer pleitegeht, weil er als Zulieferer der Autohersteller den Anschluss ans Elektrozeitalter verpasst, nimmt das kaum jemand wahr. Die IBA sucht deswegen einen kommunikativen Intendanten, der nicht nur fachlich überzeugt, sondern die IBA ein Jahrzehnt lang öffentlichkeitswirksam vorantreiben kann. Ein geeigneter Kandidat ist derzeit nicht in Sicht. Bis einer gekürt ist, sind die Bürgermeister und Oberbürgermeister gefragt, welche Flächen ihre Kommune zur Verfügung stellen kann, auf denen der Strukturwandel in der Region abgefedert wird.
Siehe auch:
http://journalistroth.eu/iba-stuttgart-positionen-der-staedte-im-rems-murr-kreis/
http://journalistroth.eu/iba-region-stuttgart-vor-der-krise-handeln/