Informationsveranstaltung des Verkehrsministeriums zum Ausbau des Bahnhofs Stuttgart-Vaihingen im Häussler-Bürgerforum. Fragerunde mit den Bürgern. Foto: Uwe Roth

Formen der Bürgerbeteiligung

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Bietigheimer Zeitung Uwe Roth 03.06.2017

Im Land hat sich in den vergangenen Jahren eine rege Kultur der Bürgerbeteiligung entwickelt. Am Ende entscheidet aber der Gemeinderat.

Seit 2013 ist die Internetadresse „beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de“ für solche Bürger die zentrale Anlaufstelle, die in Kommune etwas bewegen wollen. Neulinge in Sachen Bürgerbeteiligung werden dort feststellen, dass es mittlerweile zahlreiche Mitmachmöglichkeiten gibt. Aber es ist doch etwas kompliziert, den Einstieg zur direkten Partizipation zu finden.

Eigene Sprache der Beteiligungskultur

Eine Bürgerbeteiligungskultur ist entstanden, die ihre eigene Sprache entwickelt hat: Da ist von Quorum die Rede, von Planungszelle, Mediation, Bürgerantrag, Bürgerbegehren oder auch Bürger entscheid. Andererseits, wer sich in die Thematik einarbeiten möchte, bekommt von zahlreichen Seiten Hilfestellung – von neutraler Seite beispielsweise von „Mehr Demokratie Baden-Württemberg“.

Wobei der in Stuttgart ansässige Verein weitreichende Vorstellungen von direkter Demokratie hat. Erst in der vergangenen Woche forderte er die Landesregierung auf, den Bürgern die Abwahl eines in Ungnade gefallenen Bürgermeisters zu ermöglichen, wie dies in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen der Fall ist. Dort kann der vorzeitige Rauswurf aus dem Rathaus mit einem Bürgerbegehren eingeleitet werden, das von mindestens 20 Prozent der stimmberechtigten Bürger unterzeichnet sein muss.

Drei Möglichkeiten der Beteiligung

Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung: Selbstverständlich kann eine Kommune jederzeit ihre Einwohner in ein Projekt einbeziehen und Wünsche aus der Bevölkerung in den Planungen berücksichtigen. Dafür stehen unter anderem das Instrument der Bürgerkonsultation oder die informelle Bürgerbeteiligung zur Verfügung.

Im Gegensatz dazu besteht bei der Bauleitplanung eine Verpflichtung, die Bürger anzuhören. „Es muss eine Abwägung der öffentlichen und privaten Belange stattfinden“, heißt es dazu im Baugesetzbuch. Die dritte Variante ist die Beteiligung, die auf Initiative einer bestimmten Anzahl von Bürgern zurückgeht. Dabei kommt das Bürgerbegehren vor dem Bürgerentscheid. Wenn sieben Prozent der Wahlberechtigten mit ihrer Unterschrift beispielweise die Aufhebung eines Gemeinderatsbeschlusses fordern, ist ein Bürgerbegehren erfolgreich.

Eindeutige Fragestellung

Der Gemeinderat kann nachgeben oder muss einen Bürgerentscheid zulassen. Bei der Abstimmung in geheimer Wahl wird eine Frage gestellt, die der Bürger mit einem Kreuz auf einem Ja- oder Nein-Kästchen beantworten kann. Der Bürgerentscheid ist erfolgreich, wenn die Stimmenmehrheit aus mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten erreicht wird.

Das Ergebnis ist dem eines Gemeinderatsbeschlusses gleichgesetzt. Einwohner (gemeint sind damit auch Nicht-EU-Bürger) können über einen sogenannten Bürgerantrag, eine weitere Variante der Beteiligung, den Gemeinderat zwingen, ein Thema auf die Tagesordnung zu setzen. In Gemeinden bis zu 10 000 Einwohner muss ein Prozent der Bevölkerung einen entsprechenden Antrag unterstützen, darüber sind es 1,5 Prozent.

Politiker zwiegespalten

Kommunalpolitiker sind beim Thema Bürgerbeteiligung zwiegespalten. Einerseits können sie es sich nicht leisten, gegenüber Bürgern Methoden der direkten Demokratie in Frage zu stellen. Andererseits dürfen sie es nicht zulassen, wenn die Entscheidungsmacht des Gemeinderats in Frage gestellt wird. Schließlich betreiben die von den Bürgern gewählten Ratsmitglieder einigen Aufwand, um sich vorzubereiten und einen Konsens zu finden.

Es wäre der repräsentativen Demokratie nicht gedient, so wird argumentiert, wenn Bürger, die in ihrem Protest oftmals von Gefühlen und weniger von Kenntnis angetrieben werden, Gemeinderatsbeschlüsse aushebeln könnten. Wozu, so stellen sie die Frage, solle ein Bürger das Ehrenamt Gemeinderat übernehmen, wenn seine Funktion von der Bevölkerung in Frage gestellt werden kann?

Info In einer Reihe von Artikeln werden in dieser Ausgabe verschiedene Formen der Beteiligung geschildert. Um Zukunftswerkstätten geht es in Ludwigsburg und Erligheim, Sachsenheim beteiligt Bürger an konkreten Projekten. Besigheim hat sich das Engagement der Lokalen Agenda zu Nutze gemacht. Bietigheim-Bissingen möchte beim DLW-Gelände vieles anders machen als beim Thema Biovergärung. Und der Pleidelsheimer Bürgermeister Ralf Trettner spricht über seine Erfahrungen.

beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de