Von Uwe Roth, Straßburg, 07.07.2000, FTD
Das Europa-Parlament soll nicht die Regierung der EU wählen, dafür aber das volle Haushaltsrecht erhalten.
Bundesaußenminister Joschka Fischer hat am Donnerstag vor dem Europäischen Parlament seine Europapläne erläutert, die in der Gründung einer europäischen Föderation enden würden. Fischer betonte, er habe sich in den vergangenen Monaten intensiv mit der amerikanischen Verfassungsgeschichte beschäftigt. Für das Modell einer europäischen Föderation hat er daraus das Zwei-Kammer-System übernommen.
Er wiederholte allerdings nicht explizit, dass die Abgeordneten der einen Kammer zugleich dem nationalen Parlament angehören müssen. Sein Vorschlag eines Doppelmandats hatte heftige Proteste unter den Europaabgeordneten ausgelöst. Der Vorschlag war Anlass einer Einladung Fischers nach Straßburg. Ein Doppelmandat halten die Europaparlamentarier aus arbeitsökonomischen Gründen für unrealistisch. Zum anderen befürchten sie die Dominanz nationaler Interessen in ihrem Parlament.
In Straßburg hat Fischer einen leicht variierten Vorschlag präsentiert: Die Abgeordneten der ersten Kammer werden direkt gewählt. In der zweiten sitzen ebenfalls direkt gewählte Senatoren. Diese müssen gleichzeitig ein nationales Mandat besitzen, ohne die Art des Mandats näher zu definieren. Der „Einschluss nationaler Parlamente“ in die europäische Legislative ist für den Außenminister eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren einer Föderation.
„Eine abstrakte europäische Identität wird es nicht geben.“ An der Regierungsbildung ist das Europaparlament nach seinen Vorstellungen nicht beteiligt. Dafür hat es ein volles Legislativ- und Haushaltsrecht. Die europäische Regierung, die sich aus den Reihen des Ministerrats zusammensetzt, muss vom Europaparlament bestätigt werden. Gebildet wird das Regierungskabinett von einem europäischen Präsidenten, der von allen Europäern in direkter Wahl ernannt wird. Wie in den USA stimmen Wahlmänner und Wahlfrauen über den Präsidentschaftskandidaten einer Partei ab.
MdEP Jo Leinen (SPD) präsentierte als Gegenmodell die Bildung europäischer Parteien, die aus ihren Reihen einen Spitzenkandidaten ernennen. Bei einer Volksmehrheit soll dieser ein Regierungsteam bilden. Nur durch die direkte Identifikation mit einer politischen Leitfigur könnten die Unionsbürger motiviert werden, bei Europawahlen mitzumachen. Diese Einschätzung teilte Fischer nicht. Eine „Eins-zu- eins- Übertragung des Bundesstaatsmodells auf die europäische Ebene“ findet er unrealistisch.