Fahrerflucht: Lackspuren und Glassplitter führen zum Täter

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Bietigheimer Zeitung, Uwe Roth, 16.10.2018

Beinahe täglich findet man sie in den Polizeimeldungen: Verkehrsunfälle mit anschließender Fahrerflucht. Manchmal kommen sie geballt wie etwa am letzten September-Wochenende. Zuerst meldete sich in Remseck der Fahrer eines geparkten Daimlers, der vom Wagen eines Fahrerflüchtigen beschädigt worden war. Kaum später brachte in Schwieberdingen ein Fahrzeugbesitzer einen beschädigten Außenspiegel zur Anzeige, der offensichtlich von einem vorbeifahrenden Auto demoliert wurde. Verursacher unbekannt.

Ähnliches passierte kurz darauf in Asperg. Schaden immerhin 2500 Euro. Am Sonntagnachmittag schließlich verkratzte in Bietigheim in der Berliner Straße ein Unbekannter beim Ausparken ein Fahrzeug, an dem ein Schaden von 1000 Euro entstand. Fahrer­flüchtige machen der Polizei eine Menge Arbeit. Und die Delikte mehren sich.

Fahrerflucht führt immer zur Anzeige

Pressesprecherin Tatjana Wimmer vom Polizeipräsidium Ludwigsburg nennt Zahlen: „Im ersten Halbjahr 2018 ereigneten sich im Landkreis Ludwigsburg 1966 Verkehrsunfälle, bei denen sich der Unfallverursacher unerlaubt von der Unfallstelle entfernte.“ In den ersten sechs Monaten des Vorjahres waren nach ihren Angaben 1829 Unfälle dieser Art registriert worden – also rund 140 Fälle weniger. „Ein vergleichbarer Anstieg war bereits im Jahr 2016 zu beobachten“, so Wimmer. Die Polizei könne Bagatellfälle trotz Häufung nicht ignorieren und müsse für jede Anzeige eine Akte anlegen, selbst wenn ein kleiner Kratzer gemeldet werde.

„Es handelt sich um eine Straftat, wenn sich nach einem Verkehrsunfall der Verursacher unerlaubt entfernt“, erläutert die Sprecherin. Deswegen müsse die Polizei „gemäß des Legalitätsprinzips“ ein Ermittlungsverfahren eröffnen. „Es gibt da keinen Spielraum und insofern keine Schadensgrenze.“

„Jeder Unfall hinterlässt Spuren“

Polizeisprecherin Tatjana Wimmer

Fahrerflüchtige zu finden, ähnele oftmals einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Doch: „Jeder Unfall hinterlässt Spuren“, stellt die Polizeibeamtin fest. Sie meint Spuren an den Fahrzeugen, an möglicherweise betroffenen Personen und auf oder neben der Fahrbahn. Dabei könne es sich um die Beschädigung am Fahrzeug selbst handeln, die Hinweis liefere, auch wie der Unfall sich zugetragen haben könnte. Gleiches gelte für Schäden und Unfallspuren im Bereich der Fahrbahn oder im schlimmsten Fall bei verletzten Personen. „Mit Blick auf die Suche nach dem Verursacherfahrzeug sind vor allem Lackspuren, Kunststoff- oder Glasteile relevant“, erläutert Wimmer weiter.

Kooperation mit Fachwerkstätten

Über eine gesicherte Lackspur könne unter bestimmten Voraussetzungen ein Fahrzeugtyp und ein Zeitraum zum Baujahr zugeordnet werden. „Damit eröffnen sich weitere Ermittlungsschritte.“ Gleiches gelte für Kunststoff- und Glassplitter. „Wir stehen hier in Kontakt mit Fachwerkstätten“, berichtet sie aus der Ermittlerarbeit. In Bezug auf die Zuordnung auf den Fahrzeughersteller, –typ und den Herstellungszeitraum sei das Kriminaltechnische Institut beim Landeskriminalamt Baden Württemberg hilfreich.

Ob sich allerdings Spuren finden ließen, hänge von mehreren Faktoren ab: Wieviel Zeit ist nach dem Unfall bis zur Anzeigeerstattung verstrichen? Kann ein genauer Unfallort und ein genauer Beschädigungszeitraum angegeben werden? Das allerdings könne vor allem bei Unfällen an länger geparkten Fahrzeugen schwierig sein, merkt sie an. Nicht weniger wichtig seien in diesem Zusammenhang Hinweise von Zeugen auf den Flüchtigen und/oder das Fahrzeug sowie auf den Unfallhergang, betont sie.

Jede dritte Unfallflucht wird aufgeklärt

Jede dritte Unfallflucht könne auf diese Weise aufgeklärt werden, zieht Tatjana Wimmer Bilanz. Unter den 1966 Fällen im ersten Halbjahr hat die Polizei 658 Verursacher ausfindig gemacht. Warum es zu immer mehr Anzeigen kommt, ob Autofahrer rücksichtsloser werden, darüber kann die Polizeisprecherin nur spekulieren. Steigt die Zahl der Unfälle mit Fahrerflucht oder lediglich die der Fälle, die der Polizei gemeldet werden? „Eventuell könnte es mit einem veränderten Anzeigeverhalten zusammen hängen“, überlegt sie. Immer mehr Fahrzeuge seien geleast, finanziert oder würden geschäftlich genutzt. In den entsprechenden Verträgen sei nach Schäden eine polizeiliche Unfallaufnahme vorgeschrieben. Selbst bei kleinen Kratzern.