Energiegenossenschaft tut sich schwer im Markt

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ZVW Uwe Roth 27.02.2015

Kernen. Ratlosigkeit herrschte in der Generalversammlung der Bürgerenergiegenossenschaft Remstal am Mittwoch in Kernen-Stetten. Seit zwei Jahren summieren sich die Ausgaben, die ersten Einnahmen lassen auf sich warten. Neue Projekte sind schwer zu finden.

Ein Genossenschaftsmitglied brachte die Stimmung in der Glockenkelter auf den Punkt: Seit Gründung der Bürgerenergie Remstal (BEG) vor zwei Jahren seien von den 100 000 Euro 30 000 Euro „bereits verbrannt“. Erste Einnahmen seien terminiert, aber noch lange nicht auf dem Konto. Dennoch habe er an der guten Arbeit des Vorstands keinen Zweifel. Es sei eben Geduld gefragt, bis die Genossenschaft so richtig in die Gänge komme.

Der Jahresabschlussbericht von Vorstand Rüdiger Mattauch hatte auch bei anderen Teilnehmern der Generalversammlung für Stirnrunzeln gesorgt. Denn den Ausgaben in Höhe von 23 911 Euro im vergangenen Jahr standen Einnahmen von gerade einmal 634 Euro gegenüber. Darin enthalten ist ein Umsatzerlös von 73 Euro.

Aufsichtsrat gibt Vorstand volle Rückendeckung

Manchen Genossen fiel es nicht leicht, diese unausgewogene Gewinn-und-Verlust-Rechnung entspannt zur Kenntnis zu nehmen. Als in der Aussprache leise Kritik aufkam, griffen die Aufsichtsratsmitglieder ein. Sie sprachen dem Vorstand das volle Vertrauen aus und bescheinigten ihm eine gute Qualität der Arbeit. Das überzeugte: Der Vorstand wurde mit lediglich einer Gegenstimme entlastet.

Die Gegenstimme kam von einem Genossen, der sich insbesondere an der Darstellung des Bilanzberichts störte. Das Zahlenwerk passte auf die Rückseite der Tagesordnung und lag erst zu Beginn der Versammlung vor. Wie andere auch empfand er die Zusammenfassung des Vorstands als etwas zu grobgliedrig. Insbesondere stieß der Punkt „Sonstige betriebliche Aufwendungen“ auf, der mit 17 405 Euro als der größte Minusbetrag gelistet ist. Was dieser Betrag genau umfasst, konnte Vorstand Mattauch nach den Reaktionen im Saal nur unzureichend erläutern. „Das ist nicht meine Welt“, entschuldigte er sich und versprach, die Zahlen baldmöglichst aufgeschlüsselt nachzureichen.

Das Jahr 2014 sei von Ernüchterung und etwas Freude geprägt gewesen, bilanzierte Mattauch. In welche Kategorie der Zuwachs von sechs Neumitgliedern und 18 Genossenschaftsanteilen fällt, sagte er nicht. Zusammen hat die BEG Remstal nun 149 Mitglieder und 367 Geschäftsanteile zu je 300 Euro (110 100 Euro). Unter den Anteilseignern sind vier Kommunen und sieben Firmen. Kommunale Vertreter waren zur Versammlung allerdings nicht erschienen, wie Aufsichtsratsvorsitzender Eberhard Schlotz feststellte. Bei 43 anwesenden Stimmberechtigten hielt sich das Interesse der Genossen an der Generalversammlung insgesamt in Grenzen.

Eindeutig zur Kategorie Freude zählte Mattauch das Projekt Mehrgenerationenhaus des Vereins Woge, das derzeit bei der alten Stadtgärtnerei in Waiblingen entsteht. Die BEG Remstal ist damit beauftragt worden, nach Einzug der Bewohner Wärme und Strom zu liefern. Vorgesehen sind ein Blockheizkraftwerk und eine Fotovoltaikanlage. Dass bereits vor Fertigstellung mit der Planung eines weiteren Gebäudes begonnen wurde, hat die Freude des Vorstands noch gesteigert. Diese wird allerdings wiederum dadurch getrübt, dass sich der Abschluss der Bauarbeiten verzögert, so dass mit Einnahmeausfällen zu rechnen ist, weil die Bewohner verspätet einziehen können. Ob der Bauträger regresspflichtig gemacht werden kann, sei nicht sichergestellt.

Das Mehrgenerationenhaus ist bislang das einzige greifbare Projekt der Genossenschaft. Als Grund nannte der Vorstand lange Planungszeiten und die schwierige Suche nach neuen Projekten. Ein Windkraftprojekt in Marktoberdorf im bayerischen Allgäu, an dem sich die BEG mit 6000 Euro beteiligt hat, ist ins Stocken geraten, weil Genehmigungen nicht erteilt werden. Der Bauträger hat Klage gegen das Landratsamt Ostallgäu eingereicht. Die BEG hat sich entschlossen, sich mit 1000 Euro an den Prozesskosten zu beteiligen.

Die Hoffnung, Windkraftstandorte im näheren Umkreis zu finden, hat der Vorstand mittlerweile aufgegeben. Zum einen, weil Pachten unbezahlbar seien, zum anderen größere Platzhirsche, wie die Remstalwerke, die Bürgerenergiegenossenschaft an den Rand drängten. Die Genossen in der Glockenkelter zeigten Verständnis, dass der ehrenamtliche Vorstand an seine zeitlichen Grenzen stößt. Noch mehr Projektakquise zu betreiben, würde ihn überfordern.

Einstige Renditeerwartung ist mittlerweile Makulatur

Der Vorstand hat sich aus diesen Erkenntnissen vorgenommen, die Vernetzung kleinerer Genossenschaften voranzutreiben und sich an den Bürgerwerken Heidelberg zu beteiligen, die sich auf den Stromvertrieb spezialisiert haben. Verdient an der BEG haben bisher vor allem Anwälte und Notare. In Zukunft, so die Hoffnung, werde sich dieser Invest auszahlen, um Projekte rechtssicher über die Bühne zu bringen, um endlich Einnahmen zu haben. Von den hohen Renditeerwartungen zwischen sechs und acht Prozent müssten sich die Genossen allerdings endgültig verabschieden.