ZVW Uwe Roth 13.05.2017
Winnenden. Der Einzelhandel muss Kunden glücklich machen, andernfalls bleibt die Kasse leer. Schlichte Warenpräsentation war gestern. Edutainment („unterhaltsames Lernen“) gab Klaus Striebich seinen Zuhörern in der Veranstaltung Wissenstransfer3 als Stichwort zur Kundenbindung mit. Der 49-Jährige ist Manager bei Europas größtem Betreiber von Einkaufszentren, ECE in Hamburg.
Die Städte Winnenden, Waiblingen und Fellbach haben am Donnerstag gemeinsam zum Abend mit Klaus Striebich im Rahmen der Vortragsreihe Wissenstransfer3 in die Räume der Filialdirektion Winnenden der Kreissparkasse eingeladen. Es sind vor allem Einzelhändler und Vertreter des Stadtmarketings gekommen, um einem Manager zuzuhören, der auf die deutsche Einkaufslandschaft Einfluss hat wie kaum ein anderer. Striebich begann seine Karriere bei der Kriegbaum-Gruppe Böblingen, wechselte 1992 zu ECE und verantwortet dort seit 2003 die Vermietungssparte. Er ist einer der acht Vorstandsmitglieder und entscheidet am Ende, wer in einem Einkaufszentrum einen Laden aufmachen darf oder sich ein Geschäft außerhalb suchen muss.
Der Name des hanseatischen Unternehmens steht für Einkaufs-Center-Entwicklung und ist in der Öffentlichkeit nahezu unbekannt. Im Gegensatz dazu kennt man die Namen der Einkaufszentren: Milaneo und Königsbau in Stuttgart, Rems-Park in Waiblingen, Leo-Center in Leonberg oder das Breuningerland und Marstall in Ludwigsburg – um einige aus der Region zu nennen. ECE betreibt europaweit knapp 200 Einkaufszentren mit 4,5 Millionen Kunden täglich und ist damit Marktführer. Eigentümer ist die Versandhausfamilie Otto. Vorstandschef ist Alexander Otto.
Striebich: Geht ein Geschäft pleite, lag es nicht an der hohen Miete
Striebich ist hörbar Schwabe, wohnt in Besigheim (Landkreis Ludwigsburg), ist sparsam, wie er selbst betont, und als Vermietungsmanager knallhart. Das sagt er zwar nicht so, aber er lässt es anklingen. Er unterschreibt nur Mietverträge, die eine Mindestlaufzeit von zehn Jahren haben. In der Regel verhandelt er über den Mietpreis nicht. Geht ein Geschäft pleite, lag es nicht an der hohen Miete, wie gescheiterte Geschäftsleute gerne behaupten, sondern an einer mangelnden Rendite. Das jedenfalls ist seine Überzeugung. Der Mietzins steigt im Übrigen mit dem Umsatz. Damit kein Mieter auf die Idee kommt zu schummeln, muss jeder vierteljährlich seinen Umsatz in Hamburg melden.
Mit der Vermietung kleiner Ladenflächen ist oftmals mehr verdient, als einem potenziellen Mieter die größtmögliche Fläche anzubieten, lautet für ECE die Rechnung. Wie hoch die Mieten sind, das verrät der ECE-Manager nicht. Als er aus dem Publikum erfährt, dass in Waiblingen zwischen zwölf und 25 Euro auf den Quadratmeter Ladenfläche bezahlt werden, lächelt er müde. Gleichzeitig versichert er, dass ECE von den eingenommenen Mieten viel reinvestiere, damit die Geschäfte der Mieter am Laufen bleiben. Dazu gehörten Beratung und vor allem ununterbrochene Investitionen in die Immobilie, damit diese nicht irgendwann aus der Zeit falle. Nur bei ständiger Veränderung bleibe ein Einkaufszentrum attraktiv. Das gelte ebenso für jedes einzelne Ladengeschäft.
„Wir wünschen uns geradezu attraktive und lebendige Innenstädte“
Striebich spürt leichtes Misstrauen im Publikum und versichert, dass ECE keinesfalls dem lokalen Einzelhandel das Wasser abgraben wolle. „Wir wünschen uns geradezu attraktive und lebendige Innenstädte“, kommt er leiser Kritik entgegen. Sein Unternehmen habe ausschließlich Interesse an Innenstadtlagen, gehe weg von der grünen Wiese. Als Nachbar könnten sich Einkaufszentrum und die Läden außerhalb gut ergänzen. Weil Striebich mit gleichem Zungenschlag spricht wie seine Zuhörer, klingt seine Bekundung, als globaler Investor mit dem lokalen Händler auf Augenhöhe zu sein, überzeugend. Ein Hamburger hätte das mit gleichen Argumenten wahrscheinlich nicht geschafft.
Shoppen muss die Seele erreichen
Wie sieht nun die Zukunft eines auf sich gestellten Ladengeschäfts aus – eingeklemmt zwischen Einkaufszentrum und Onlineshopping? Auf diese Frage findet Striebich keine eindeutige Antwort. Klar ist für ihn, dass es der Einzelhändler schaffen muss, seine Kunden in einen positiven Gefühlszustand zu bringen, um ihn dauerhaft zu gewinnen. Shopping müsse die Seele erreichen, sagt er zum Beispiel. Die Lieferung von Dingen des täglichen Lebens wie Klopapier kann man nach seiner Auffassung gerne in Zukunft Amazon überlassen.
„Das Internet können Sie sonntags auch nicht abschalten“
Spaß zu haben sei für die Zufriedenheit eines Kunden Grundvoraussetzung. Aktionsflächen bekommen nach seiner Überzeugung eine immer größere Bedeutung. Neue Technologien wie 3-D-Drucker oder Virtual-Reality-Brillen machten vieles möglich. Edutainment bedeute, Kunden zu ihrem eigenen Vergnügen aktiv werden zu lassen. „Es wird viele Veränderungen geben. Die werden schneller kommen, als Ihnen lieb sein wird“, sagt er gegen Ende und merkt noch an, dass dazu die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten auf den Sonntag gehören müsse. „Das Internet können Sie sonntags auch nicht abschalten.“