Der Landrat weiß wenig über Behinderte

Print Friendly, PDF & Email

ZVW Uwe Roth 01.03.2016

Aber er findet, Menschen mit Behinderung sollen nicht unter sich bleiben, sondern sich mit Menschen ohne Behinderung austauschen

Dieser Text ist in einfacher Sprache geschrieben. So können ihn Menschen mit Lernschwierigkeiten besser verstehen. Mehr zu meinen Texten in Einfacher Sprache gibt es hier.

Von unserem Mitarbeiter Uwe Roth Kernen. Landrat Richard Sigel hat am Freitag S.B.I. in der Diakonie Stetten besucht. Das ist der Name von einem Verein. Dort machen Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung mit. Sie sind Mitglieder und haben den Verein gegründet.

Es war ihre Idee. S.B.I. heißt Selbst-Bestimmungs-Initiative. Die Mitglieder sagen, Menschen mit einer Behinderung dürfen bestimmen, wie sie leben möchten. Zum Beispiel wollen sie entscheiden, wo sie wohnen wollen.

Der Verein kämpft für die Einfache Sprache. Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten können lesen. Doch die Wörter müssen verständlich sein. Die Sätze müssen kurz sein. Für sie ist das Barriere-Freiheit.

Thilo Gaiser und Mirco Reithebuch sind vom Verein S.B.I. Sie haben den Landrat Richard Sigel eingeladen. Thilo Gaiser und Mirco Reithebuch sagen, der Landrat ist wichtig für Menschen mit Behinderung.

Der Landrat ist der Chef vom Landratsamt. Das Amt gibt den Behinderten Geld. Damit werden zum Beispiel das Wohnen, die Kleidung und das Essen bezahlt. Das Geld heißt Eingliederungs-Hilfe. Es ist ein schweres Wort.

Der Landrat soll verstehen, welche Probleme Behinderte haben. Vielleicht kann der Landrat helfen.

Thilo Gaiser bereitet für den Besuch alles allein vor. Er möchte keine Hilfe von einem Betreuer. Thilo Gaiser will zeigen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten mit wichtigen Leuten auf Augenhöhe sprechen können. Sie brauchen nur etwas mehr Zeit zum Nachdenken und für die Aussprache.

Sie sagen, Menschen ohne Lernschwierigkeiten sollen beim Zuhören mehr Geduld haben.

Thilo Gaiser ist 36 Jahre alt und Mitglied der SPD. Ihm ist Politik wichtig. Er geht gerne zu politischen Veranstaltungen. Dabei lernt er viel. Es hilft ihm, den Besuch des Landrats vorzubereiten.

Für den Verein S.B.I. ist so eine Diskussion eine große Sache. „Das ist eine Premiere“, sagt Mirco Reithebuch stolz. Es ist vielleicht die erste Veranstaltung dieser Art, die Menschen mit Lernschwierigkeiten ohne fremde Hilfe machen.

Thilo Gaiser stört, dass Politiker selten über Menschen mit Behinderungen reden. Nun ist der Landrat Richard Sigel da. Er sagt, ich bin sehr gerne gekommen.

Im Wildermuth-Saal der Diakonie Stetten sitzen Menschen, die der Landrat selten trifft. Auch Diakonie-Vorstand Rainer Hinzen ist da. Er ist nur Gast und hält keine Rede. Der Verein und seine Mitglieder sind Gastgeber.

Thilo Gaiser stellt dem Landrat die erste Frage: „Welchen Stellenwert haben behinderte Menschen in unserer Gesellschaft?“ Der Landrat sagt, es ist eine schwierige Frage. Menschen mit Behinderung sollen nicht unter sich bleiben, sondern sich mit Menschen ohne Behinderung austauschen.

Das möchte der Landrat unterstützen. Von April an gibt es im Landratsamt einen Behinderten-Beauftragten. Der hilft ihm. Landrat Richard Sigel sagt, auch er habe manchmal Berührungs-Ängste.

Er erinnert sich an einen Kollegen. Der hat zwei ganz kurze Arme. Als er den Mann zum ersten Mal sieht, fällt es ihm schwer, die Hand zu geben. Er möchte nichts falsch machen. Der Mann aber gibt ihm seine kleine Hand und lacht dabei. Dann ist alles gut.

Landrat Sigel sagt, man muss etwas berühren, um seine Berührungs-Angst los zu werden. Der Landrat staunt, wie gut sich die Zuhörer vorbereitet haben. Ihm fällt auf, dass er über das Leben von Menschen mit Behinderung nicht viel weiß.

Sie fragen ihn nach dem Gleichstellungs-Gesetz und dem Bundes-Teilhabe-Gesetz. Eine Frau möchte wissen, wie viel Rente sie bekommen wird.

Landrat Sigel weiß manchmal keine Antwort. Er gibt das auch zu. Er sagt auch, dass ihm die Einfache Sprache Probleme macht und er üben muss. Seine Zuhörer finden das gut und klatschen.

Menschen mit Lernschwierigkeiten kennen viele Besser-Wisser. Oft ist das für sie nervig. Landrat Sigel hat Geduld und hört zu. Er schaut nicht auf die Uhr. Am Anfang sind im Wildermuth-Saal viele schüchtern. Er beantwortet jede Frage, bis keine mehr kommt.

Landrat Sigel verspricht, auch einmal eine Wohn-Gruppe zu besuchen. Einen Tag will er dort mit den Menschen arbeiten. Die Zuhörer finden das toll. Und sie sagen ihm das.