SWP Uwe Roth 06.05.2017
Eine Demonstration heißt im Bürokratendeutsch „Versammlung unter freiem Himmel“. Eine solche ist behördlich zu melden, wenn „drei oder mehr Personen in Angelegenheiten von allgemeinem Interesse zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und/oder -äußerung zusammenkommen sollen“.
Das müssen Sie jetzt nicht im Detail verstehen. So sind eben die Vorschriften. So betrachtet, ist mancher Familienausflug anmeldepflichtig, da findet ja auch „gemeinsame Meinungsbildung“ statt, wenn auch nur übers Wandersziel. Aber das ist ein anderes Thema.
Zurück zu den Vorschriften: Da gibt es beim Demonstrieren noch andere. Rückblick auf die 1.-Mai-Kundgebung in Ludwigsburg: Ein Häufchen Elend nass gewordener Teilnehmer wartet schlotternd auf den Marsch durch die Innenstadt. Scharfer Wind treibt den Regen horizontal gegen die Demonstranten. Es ist kalt. Die Transparente triefen und verheddern sich in den Böen. Bei gutem Wetter kann die Tour der Arbeitnehmerbewegung nicht lang genug sein, damit alle in der Stadt vom Protest etwas mitbekommen. Aber so? Bei dem Wetter?
Nachfahren der Arbeiterklasse müssen sich fügen
Der Versammlungsleiter meldet sich über Lautsprecher. Er habe die Polizei um eine Abkürzung gebeten. Also in direkter Linie zum Marktplatz. Aber die Beamten hätten aus versicherungstechnischen Gründen ablehnen müssen. Schäden, so die Begründung, die durch ein Abweichen von der Route entstünden, würden nicht ersetzt. So müssen sich die Nachfahren der Arbeiterklasse fügen und durch Wind und Wetter den geordneten Bahnen der Versicherer folgen.
Genosse Wladimir Iljitsch Lenin lag nicht falsch, als er vor 100 Jahren voller Spott behauptete: „Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte!“.⇥Uwe Roth