Das Kreuz mit der roten Ampel

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ZVW Uwe Roth 15.10.2015

Waiblingen. In jeder Ampelanlage steckt ein Computer. Der und seine Software sind manchmal zehn Jahre und älter. Beides technisch aufzurüsten, kostet Geld. Die Folge sind unnötige Rotphasen. Die aber belasten nicht kommunale Haushalte, sondern die Geduld der Autofahrer und die Umwelt.

Manchmal kann eine Straßenkreuzung zum einsamsten Ort der Welt werden. Zwei Ampeln zeigen Rot, bei denen, die auf Grün geschaltet sind, kreuzt kein einziges Fahrzeug. Die Autos warten, und in der Kreuzungsmitte tut sich nichts. Sie bleibt leer. Eine Schildkröte könnte gefahrlos die andere Straßenseite erreichen. Die wenigsten Fahrer schalten den Motor aus. Einen automatischen Motorstopp haben die wenigsten Modelle. Was, so denkt sich der Autofahrer, sollen die Kontaktschleifen im Fahrbahnbelag, wenn sie scheinbar sowieso keinen Einfluss auf die Verkehrssteuerung haben?

Zwei Wochen des Lebens wartend vor roten Ampeln

Im Gegensatz zu einem Tempo-30-Schild hat eine Ampel Autorität. Auch morgens um drei wartet ein Autofahrer an einer übersichtlichen Kreuzung brav bei Rot, auch wenn weit und breit kein anderes Fahrzeug zu sehen ist. Auf einer Tempo-30-Straße sehen Autofahrer nicht nur zur nächtlichen Stunde die Verkehrsvorschrift etwas lockerer. Seit 100 Jahren bestimmen die offiziell so bezeichneten Wechsellichtzeichenanlagen die Verkehrssteuerung, ihr Netzwerk wird enger und enger. Schätzungen gehen davon aus, dass Verkehrsteilnehmer in ihrem Leben mindestes zwei Wochen an roten Ampeln warten. Menschen in Ballungszentren haben sicher noch längere Wartezeiten.

Theoretisch könnten Ampeln als intelligent bezeichnet werden, wenn sie technisch so ausgestattet wären, wie Ingenieure sich das ausgedacht und davon auch einiges zur Marktreife entwickelt haben. Ampelanlagen, so heißt es in der Fachwelt und auf Internetseiten von Anbietern solcher Techniksysteme, können mit Autofahrern kommunizieren, ihnen über eine App mitteilen, wie schnell man fahren muss, um eine grüne Welle zu erwischen. Ampeln erkennen Staus oder überhöhte Schadstoffgrenzwerte und leiten den Verkehr entsprechend um.

Üblicherweise jedoch ist eine Ampel eine banale Ampel mit Basisausstattung, ohne größeren technischen Weitblick, die höchstenfalls in jüngster Zeit auf LED-Technik umgerüstet wurde. Das spart der Kommune unterm Strich eine Menge Stromkosten, bringt Autofahrer und Fußgänger nicht schneller weiter.

Anlagen sind im Schnitt zwischen acht und zehn Jahre alt

Die technische Weiterentwicklung der Signalanlage genießt in den Städten des Rems-Murr-Kreises keine hohe Priorität, wie eine kleine Befragung gezeigt hat. Punktuell allerdings werden Anlagen verändert, da man den Fußgängern und auch dem Radverkehr neuerdings mehr Beachtung schenkt. In Winnenden beispielsweise werden die Ampeln vierteljährlich technisch gewartet. Rechner und Programme werden allerdings nicht überprüft, teilt Werner Gleixner vom Stadtbauamt mit. Die Taktgeber werden dann neu berechnet, wenn sich die Verkehrslage ganz offensichtlich verändert hat oder Bürger vorstellig werden, weil sie es satthaben, sich an einer ewig roten Ampel die Füße in den Bauch zu stehen.

Bekommen Fußgänger ein paar Sekunden länger Grün, verkürzt sich für die Fahrzeuge entsprechend die Grünphase. Eine Abwägungssache. „Kein Grün soll verschleudert werden“, sagt Gleixner. Doch welches Grün ist am Ende wertvoller, das für Fahrzeuge oder das für Fußgänger?

Ähnlich ist auch die Situation in der Stadt Waiblingen. Dort schaut ein Wartungstrupp halbjährlich nach den Ampeln. Dass ein Rechner umprogrammiert wird, „kommt seltener als einmal im Jahr vor“, sagt Oliver Strauß, Abteilungsleiter Straßen und Brücken. Im Schnitt sind die 45 Ampelanlagen im Stadtgebiet acht bis zehn Jahre alt. Sein jährliches Budget ist erschöpft, wenn ein bis zwei Anlagen modernisiert wurden. In der Stadt Fellbach werden die Signalanlagen nach Angaben der Verwaltung in der Regel alle 10 bis 15 Jahre erneuert. Zum Teil würden die Steuerprogramme den neuesten Verkehrszählungen angepasst. 2015 gibt Fellbach für die Wartung 70 000, für die Modernisierung 100 000 Euro aus.

Mit einem solchen Budget sind keine großen Sprünge zu machen, da die Aufrüstung allein einer Anlage einen fünfstelligen Betrag kosten kann. Eine Ampel umprogrammieren, ist die Arbeit eines Spezialisten. Meistens beauftragen Kommunen dazu einen externen Dienstleister. Einer von ihnen ist Jürgen Karajan, der mit seinem Stuttgarter Ingenieursbüro unter anderem in Waiblingen und Winnenden an der Verkehrssteuerung mitwirkt. Er sagt, die technischen Ämter benötigten einen eindeutigen Auftrag des Gemeinderats und ein dafür ausreichendes Budget, um die Verkehrssituation nachhaltig zu verbessern. Ansonsten seien die Handlungsmöglichkeiten der Zuständigen in den Rathäusern sehr begrenzt.

Intelligente Signalsysteme seien umso notwendiger, da möglichst keine neuen Straßen mehr gebaut werden sollen und der wachsende Verkehr auf den vorhandenen Straßen durchgeleitet werden muss. In den Rathäusern scheint angesichts des Verkehrschaos der Traum von der grünen Welle ausgeträumt. Planer, wie Karajan haben dagegen die Hoffnung auf fließende Verkehrsströme trotz hoher Dichte nicht aufgegeben. „Das ist unter Fachleuten nach wie vor ein großes Thema“, sagt er. Mit der Ampel werden Fußgänger und Autofahrer weiter leben müssen. Aber vielleicht kommt es so weit, dass dank Technik bei Rot eine Kreuzung nicht zum einsamsten Ort der Welt wird.