Von Uwe Roth und Kristina Spiller, Hamburg, und Nicola Liebert, New York
FTD 16.08.2001
In der aktuellen Entlassungswelle denken viele Personalvorstände als Erstes an eine Gruppe von Beschäftigten: die Zeitarbeiter. Die können sie ohne größere Querelen mit dem Betriebsrat nach Hause schicken, denn kein Tarifvertrag ist berührt. Schließlich haben Zeitarbeiter ihren Arbeitsvertrag mit externen Dienstleistungsfirmen geschlossen.
Zeitarbeitsfirmen sind für viele Unternehmen Ausputzer, mit deren Hilfe sich Konjunkturschwankungen abdämpfen lassen. Dietrich Paulmann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Industrie Service (DIS), einer der Großen in der Personaldienstleisterbranche, findet das in Ordnung: „Das ist unsere Funktion.“
Zeitarbeitsfirmen stützten den Betriebsfrieden, denn in Krisenzeiten kann die erste Entlassungswelle am Betriebsrat vorbeirollen.
Trotz der aktuellen Flaute sieht er für seine Branche keinen Grund zum Jammern. Rund 1000 offene Stellen hat DIS im Angebot. Gesucht wird für alle Bereiche, ob IT-Sektor oder Produzierendes Gewerbe. Um 24,2 Prozent hat das Offenbacher Unternehmen beim Umsatz im ersten Halbjahr zugelegt. Der liegt damit bei 255 Mio. DM. Für das Gesamtjahr wird ein Umsatzplus von 20,5 Prozent erwartet. Rund 6400 Mitarbeiter beschäftigt DIS bundesweit.
Die Konkurrenten sind ähnlich optimistisch. Konjunkturdellen bekomme die Branche zu spüren, doch lange nicht mehr so stark wie vor 10 oder 15 Jahren. Während Unternehmen entlassen, gingen bei den Zeitarbeitsfirmen bereits wieder die ersten Anfragen ein. DIS sieht seinen Wettbewerbsvorteil darin, dass er meist höher qualifizierte Arbeitskräfte beschäftigt.
Auch in der Zeitarbeitsbranche stehen jene Unternehmen auf der Kippe, die viele Angelernte und Menschen ohne Berufsausbildung auf der Lohnliste haben. Personaldienstleister sind längst nicht mehr erste Ansprechpartner für Aushilfsjobs. Nach einer jetzt veröffentlichten Umfrage unter den zehn größten deutschen Zeitarbeitsfirmen haben 60 Prozent der Mitarbeiter eine praktische Berufsausbildung, rund 15 Prozent sogar ein abgeschlossenes Studium.
„Zu uns kommen immer mehr höher qualifizierte Bewerber“, stellt auch Manfred Brücks vom Weltmarktführer Adecco fest. Mit ihnen läuft das Geschäft. Vor allem Automobilfirmen suchen jetzt noch Zeitarbeiter, auch wenn Geschäftszahlen anderes vermuten lassen. „Wettbewerbsvorteile haben Zeitarbeitsfirmen, die mehrere Branchen abdecken und in vielen Ländern ihre Dienstleistungen anbieten“, sagt Erwin Kooij, Analyst bei der Investmentbank ABN Amro.
„Regionale Anbieter sind sicherlich schneller von einer einzelnen Werksschließung betroffen“, bestätigt Sylvia Knecht, Sprecherin von Randstad Deutschland in Köln. „Wir suchen händeringend Leute.“, sagt sie, insbesondere wegen der guten Exportlage. Personaldienstleister seien „der Jobmotor Nummer eins in Europa“. Die Zeitarbeitsfirmen hätten zwei Jahre in Folge mehr Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt geschaffen als beispielsweise DaimlerChrysler oder Coca-Cola.
Analysten zeigen weniger Optimismus. „In der Vergangenheit lief es für die Unternehmen gut. Jetzt wird es allerdings für sie schwieriger werden“, sagt Kooij. Bislang hätten die Zeitarbeitsfirmen einen Umsatzzuwachs von fünf bis sechs Prozent verbucht. „Im nächsten Jahr werden es nur noch zwei bis vier Prozent sein.“ Die Nachfrage nach Personal werde weiter sinken.