Expertenrunde der Stadtverwaltung Ludwigsburg zum Nahverkehrskonzept auf dem Podium der Bürgerinformationsveranstaltung. Foto: Uwe Roth

Bürgerbeteiligung in Ludwigsburg

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Bietigheimer Zeitung Uwe Roth 03.06.2017

Zur Steigerung der Bürgerbeteiligung werden in Ludwigsburg neue Formen ausprobiert, wie die gestrige Veranstaltung auf dem Akademiehof.

Es ist eine Bürgerbeteiligung der anderen Art: Die Stadt hat auf der kleinen Grünfläche zwischen Schauspiel- und Filmakademie eine kleine Lautsprecheranlage mit Mischpult und Mikro aufstellen lassen. Wer Lust hat, darf zwischen 19 und 22 Uhr eine Viertelstunde Musik machen, Gedichte vortragen oder sich als Komödiant versuchen. Anmeldung ist nicht nötig. Wer die Chance für einen Auftritt verpasst hat: Am 7. Juli haben Hobby-künstler die nächste Gelegenheit, das vorwiegend junge Publikum zu unterhalten. Die Verwaltung nennt das Angebot an junge Menschen „Open stage“ – offene Bühne.

Veranstalter ist nicht das Kulturamt, sondern der Fachbereich Bürgerschaftliches Engagement und Soziales. Die Mitarbeiter dort möchten mehr erreichen, als nur die Jugend der Stadt zu bespaßen. Bei dieser Gelegenheit – der halb städtischen, halb privaten Veranstaltung – sollen „junge Platznutzer dazu ermuntert werden, Mitverantwortung für den Akademiehof und sein Image zu übernehmen“, heißt es dazu in einer Mitteilung des Rathauses.

Junge Bürger am Erfolg der Veranstaltung beteiligen

Der Akademiehof ist in kürzester Zeit zu einem beliebten Treffpunkt für junge Leute geworden. Am Ende jeder lauen Nacht sieht der Platz aus wie eine Deponie – mutwillige Zerstörungen von Glasflaschen und an der öffentlichen Toilette nicht ausgeschlossen. Bei der „Open stage“ werden die jungen Bürger am Erfolg der Veranstaltung beteiligt. Davon profitiert der öffentliche Raum, hoffen zumindest die Initiatoren.

Ansonsten hat die Stadt mit ihren Zukunftskonferenzen die Bürgerbeteiligung institutionalisiert. Seit 2003 finden die jeweils zweitägigen Veranstaltungen alle drei Jahre statt, die nächste ist im Sommer 2018.

Das ist keine gewöhnliche Bürgerversammlung, zu der jeder kommen kann und seine Meinung sagen darf. Die Vorbereitung ist generalstabsmäßig: In einer Vorkonferenz mit 50 bis 70 ausgewählten Bürgern stellt die Stadt den Entwurf ihres Programms vor, mit dem die Zukunftskonferenz gestaltet werden soll. Je nachdem bleibt die Agenda, oder sie wird überarbeitet. Für die eigentliche Veranstaltung mit 300 Teilnehmern gibt es ein aufwendiges Auswahlverfahren, berichtet Albert Geiger, Leiter des Referats für Nachhaltige Stadtentwicklung. Ein Drittel der ausgewählten Bürger ist jedes Mal neu dabei, ein zweites Drittel war einmal dabei, der Rest sind alte Bürgerbeteiligungshasen.

„Seit 2006 hat sich die Situation im Gemeinderat völlig verändert“

Die Verwaltung achtet besonders darauf, dass sich junge Bürger in den Arbeitsgruppen beteiligen. Und um mehr Flüchtlinge in die Veranstaltung einzubinden, werde die Verpflegung der Teilnehmer mittlerweile von Migranten organisiert, die auch an den Workshops teilnehmen.

Themenschwerpunkte der vergangenen Konferenzen waren beispielsweise die Digitalisierung und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. 2014 erhielt die Stadt für ihre Leistungen auf dem Gebiet der nachhaltigen Stadtentwicklung, wovon die Zukunftskonferenzen ein fester Bestandteil sind, den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Bei der Verleihung in Düsseldorf waren auch Ludwigsburger Gemeinderäte anwesend. Anfänglich habe er im Gemeinderat leichtes Misstrauen gegenüber einer solchen Form der Bürgerbeteiligung gespürt, erinnert sich Geiger.

Die Zustimmung sei damals nur mit knapper Mehrheit zustande gekommen. „Seit 2006 hat sich die Situation im Gemeinderat völlig verändert“, ist seine Beobachtung. Die Kommunalpolitiker hätten das zusammengetragene Wissen der Bürger zu schätzen gelernt. Häufig fordere der Gemeinderat die Stadtverwaltungen zu einer Bürgerbeteiligung auf, bevor diese daran denke, um Ideen und Einschätzungen von der Bevölkerung einzuholen.