Stuttgarter Nachrichten Uwe Roth 28.05.2010
FDP-Fraktionschefin Homburger beklagt, dass die Öffentlichkeit ihrer Partei nicht richtig zuhört.
Stuttgart – Die FDP-Fraktionschefin im Bundestag und baden-württembergische Parteivorsitzende hat in diesen Tagen viel Kritik aus den eigenen Reihen einstecken müssen. Klar, dass Birgit Homburger ihre Politik verteidigt. Aber sie räumt auch Fehler in der Darstellung ein.
Die Redaktion soll ihr die Anspannung nicht anmerken – trotz einer verheerenden Woche. Liberale Kritiker hatten von Parteichef Guido Westerwelle und seinem schwachen Außenauftritt plötzlich abgelassen, um Birgit Homburger ins Visier zu nehmen und – falls notwendig- als Bauernopfer vorzubereiten. Ihr Parteifreund Wolfgang Kubicki zeigte öffentlich mit dem Finger auf Homburger. Sie trage Mitschuld an den desaströsen Umfragewerten der Liberalen, behauptete das Bundesvorstandsmitglied und unterstellte ihr Schwäche bei der Führung der Bundestagsfraktion. Gegrummelt hatte es dort seit längerem, doch jetzt wäscht man schmutzige Wäsche. Öffentlich.
Doch Homburger kommt keinesfalls geknickt an den Konferenztisch der Redaktion. Ihre Position ist aufrecht. Der Rücken ist kerzengerade, ihre Haltung lässt selten in der Anspannung nach, die Hände liegen fast immer ordentlich gefaltet auf einer dünnen FDP-Mappe mit Merkzetteln für Details, die man nicht im Kopf parat hat. Sie muss nicht reinschauen.
Die FDP-Landesvorsitzende ist dann doch erleichtert, dass sie zu Beginn nach ihrer Bärensammlung im heimischen Hilzingen gefragt wird und nicht nach möglichen Wunden, die ihr Parteikollegen gerissen haben könnten. Die Sammlung sei der Familie ihres Mannes geschuldet, antwortet sie. Die komme aus Berlin, und da sei der Bär ein wichtiges Symbol. Inzwischen hat sie im Familienkreis allerdings einen Geschenkstopp verhängt. Es sind der Bären zu viele.
Kubicki ist abgehakt – jedenfalls am Konferenztisch
Über ihren schärfsten Kritiker sagt Homburger weniger als über die Bären. „Kubicki hat sich so verhalten wie immer“, sagt sie lächelnd, um anzudeuten, wie wenig überrascht sie von der Attacke ist. Die wehrt sie, so gut wie möglich, mit Humor ab: „Ich hatte schon die Befürchtung, dass ich nicht wichtig genug sei. Aber das hat sich mit seiner Bemerkung ja erledigt.“ Damit ist die Kausa Kubicki abgehakt, zumindest am Redaktionstisch. Kein Gegenangriff.
Dabei ist die Alemannin bekannt für schnelles Reden und ruppige Repliken. Sie scheint daran zu arbeiten. Wohl überlegt kommen die Antworten, inhaltlich überschaubar. In der Partei werde ja schon seit längerem eifrig darüber diskutiert, „was schiefgelaufen ist“ – nicht erst seit der NRW-Wahl. Homburger ahnt, „das hat was mit Kommunikation zu tun“. Sie sei an einer ehrlichen Analyse interessiert, versichert Homburger. „Ich überlege immer sehr genau, ob es richtig war, was ich gemacht habe“, gibt sie sich selbstkritisch.
Die FDP vertrete keinesfalls nur die Steuersenkung als politische Forderung. Homburger zählt andere auf: Gesundheit, Bildung, Energie, Bürgerrechte. Das alles stehe gleichwertig auf der Agenda. Inhaltlich seien die Liberalen damit aber nicht nach außen gedrungen. „Aber wir haben es oft genug versucht.“ Nur wenn die Rede auf die Steuersenkungspläne komme, höre die Öffentlichkeit der FDP zu. Ein anderes Thema sei auch nie nachgefragt worden. Homburger bedauert das: „Gegen dieses Megathema ist es schwer, ein anderes zu setzen.“
Homburger ist noch in der Phase der Analyse. Die Problemlösung muss noch warten, wie ihre Antworten zeigen. Dass ihre Partei die richtigen Themen gewählt hat, daran hat die Liberale natürlich keinerlei Zweifel, die Themenauswahl wird zwangsläufig nicht analysiert. Schließlich sei die Steuersenkungsdebatte keinesfalls für immer begraben, sondern nur auf unbestimmte Zeit vertagt, versichert sie mutig. Wer sie in die Nähe einer politischen Umfallerin rückt, wird noch während der Frage unterbrochen. Ihre Analyse konzentriert sich auf die Kommunikationsfrage. Die FDP müsse zurückfinden zu mehr „zentralen Aussagen“, zu „klaren Linien“, müsse „Strukturen nachhaltig verändern“. Das sind Homburgers erste Überlegungen. Zentral, Linie, Struktur – die Begriffe tauchen in ihren Sätzen häufig auf. Die 45-Jährige schätzt geordnetes Vorgehen, doch im Moment läuft ihre Truppe eher wild durcheinander.
Sie schätzt klare Koalitionsaussagen
In mehreren Klausurtagungen im Juni sollen die Parteifreunde zur Disziplin zurückfinden. Eine vage Hoffnung. Homburger behält die Erfolge ihrer Partei im Auge, auch wenn diese in der Vergangenheit liegen. „Unsere Strategie war richtig. Der Erfolg gibt uns recht“, behauptet sie und meint damit klare Koalitionsaussagen und die damit verbundene Zustimmung der Wähler – zumindest bis zur NRW-Wahl. Klare Koalitionsaussagen schätzt sie auch für die Zukunft. In Baden-Württemberg will die FDP mit der CDU weiterregieren. Über schwarz-grüne Gedankenspiele von CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus geht sie großzügig hinweg und versichert, ihre Partei sei nicht „dem Dogma erlegen“, nur mit Christdemokraten regieren zu können.
Zweifel am FDP-Personal? Nein, die lässt sie nicht zu. Ihr Parteikollege, Justizminister Ulrich Goll, sei als Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg unangefochten. Punkt. Kritik an Golls privatem Waffenbesitz? Da will sie „kein weiteres Kapitel zufügen“, öffentliche Ratschläge seien nicht ihr Ding, ebenso wenig wie das „Formulieren irgendwelcher Wahlziele“. Homburger lehnt sich am Redaktionstisch zurück. Kurze Verschnaufspause.
Auf die Frage, wohin sie besonders gern reist, hat Homburger in einem Fragebogen geantwortet, „von Berlin nach Hause“. Warum? Kaum ist die Frage gestellt, ist sie gedanklich im schönen Hegau, bei der Familie. Sie lehnt sich erneut zurück. Dort spüre sie Bodenhaftung, vertraue Menschen, die es ehrlich meinen. Dieses Gefühl sei unentbehrlich, um eine Woche Berlin zu überstehen, wo es Menschen gebe, „die einen nur kennen, wenn man Macht hat“.
Es ist Freitag, eigentlich Zeit, um an den Bodensee zu fahren. Doch Homburger hat im Anschluss an den Redaktionsbesuch noch Termine in Stuttgart. Anschließend fliegt sie nach Hamburg, von dort am Samstag wieder nach Berlin. Manchmal merkt man ihr die Anspannung an. In der Sommerpause wird’s dann vielleicht wieder ruhiger, sagt Homburger. Ein frommer Wunsch.