SWP Uwe Roth 08.12.2017
Eine bezahlbare Mietwohnung in Stuttgart zu finden, ist schwierig, aber nicht unmöglich. Genossenschaften bieten verhältnismäßig günstige Alternativen. Von Uwe Roth
Wer auf einem der großen Immobilienportale eine Wohnung in Stuttgart sucht und keine Mietobergrenze festlegt, bekommt knapp 500 Objekte angeboten. Das ist für eine Stadt dieser Größe nicht besonders viel. Für 2500 Euro Kaltmiete im Monat bekommen Gutverdiener zum Beispiel eine Dreizimmer-Altbauwohnung mit 86 Quadratmetern im Stuttgarter Westen. Geringverdiener geben als Mietobergrenze vielleicht acht Euro kalt pro Quadratmeter ein. Bei diesem Betrag liefert die Datenbank des Onlinemaklers keinen Treffer. Das heißt aber nicht, dass es keine seriösen Angebote unterhalb dieses Betrags gibt. Man muss nur wissen, wo man anfragen muss.
Die Landesbaugenossenschaft Württemberg (LBG) mit Sitz in Stuttgart ist so eine Adresse für Menschen, die auf dem normalen Wohnungsmarkt hoffnungslos verloren sind. Für 7,50 Euro Kaltmiete je Quadratmeter bietet die Genossenschaft beispielsweise im Stuttgarter Norden eine Vierzimmerwohnung an – sofern eine frei ist. Neumieter können sich sogar auf eine frisch hergerichtete Wohnung freuen. Selbst in Neubauten bleiben die Mieten unter elf Euro. Derzeit baut die LBG in Degerloch an der Oberen Weinsteige zwei Mehrfamilienhäuser mit 14 Wohnungen, die demnächst bezugsfertig sind. Am Pragfriedhof ist dieses Jahr ein Mietwohnungsbau der Genossenschaft fertiggestellt worden.
Genossenschaftseinlage statt Kaution
Um an eine Mietwohnung zu gelangen, lässt sich ein Wohnungssuchender bei der LBG registrieren. Sobald der Interessent eine passende Wohnung zugesagt bekommt, muss er Genossenschaftsmitglied werden und eine Anlage in Höhe von 800 Euro erwerben, die verzinst wird. Eine Kaution entfällt.
Josef Vogel ist der Geschäftsführer der LBG und erstaunte Fragen gewöhnt, wie ein derart niedriger Mietpreis in einer Großstadt überhaupt möglich sei? Er sagt dann immer: „Wir betrachten unsere Wohnungen als Sozialgut und nicht nur als Wirtschaftsgut.“ Die Genossenschaft „denkt in Generationen statt in Quartalen“, sie wolle ihren Mitgliedern „gutes, bezahlbares und lebenslanges Wohnen bieten“.
Der Erlös aus der Vermietung von 5500 Wohnungen muss reichen, um die Verzinsung der Anlagen von über 6000 Genossenschaftsmitgliedern sowie den Erhalt und Neubau von Gebäuden zu finanzieren. Und am Ende soll noch Geld für die Gehälter der Genossenschaftsangestellten übrig bleiben. „Die Mitarbeiter werden richtig bezahlt“, versichert Vogel. Hilfreich sei, dass die Genossenschaft lediglich „die schwarze Null“ anstrebe, also keine Gewinne wie private Unternehmen. Bei einem neuen Grundstück werden die Investitionen mit einem geringen Renditesatz erst in einem Zeitraum von 50 Jahren und länger zurückerwartet. Je länger dieser Zeitraum sei, desto günstiger werde die Miete.
Kommunen überlassen Grundstücke
Er sei gelernter Banker, was in seinem Betätigungsfeld ein Vorteil sei, gibt Vogel zu bedenken. Ausschlaggebend sei jedoch, dass die Genossenschaft günstige Grundstücke im Bestand habe oder von einer Kommune zum Kauf angeboten bekomme, um günstigen Wohnraum in der jeweiligen Stadt zu schaffen. In Stuttgart ist die LBG am „Bündnis für Wohnen“ beteiligt. Von der Stadt bekommt sie Grundstücke, auf denen die Genossenschaft dann baut. Im Gegenzug erhält die Stadt Belegungsrechte für einkommensschwache Familien. Dies sei eine gute Möglichkeit, den sozialen Wohnungsbau in einem Umfeld voranzubringen, in dem normalerweise Höchstpreise für Immobilien bezahlt würden.
Mit seinen günstigen Mietpreisen hat die LBG in der Region Stuttgart kein Alleinstellungsmerkmal. Die Stadt Ludwigsburg beispielsweise hat ihre kommunale Tochter Wohnungsbau Ludwigsburg (WBL) mit Niedrigpreisen auf den Markt geschickt. Laut Geschäftsführer Andreas Veit beträgt die Durchschnittsmiete von über 2300 Mietwohnungen im Bestand der WBL „trotz energetisch modernisierter Objekte und vieler Neubauten“ gerade einmal 6,80 Euro je Quadratmeter; bei geförderten Wohnungen lediglich 5,98 Euro. Die günstigste Kaltmiete für eine nicht geförderte Mietwohnung liege bei 5,64 Euro. Preise, die man bei privaten Anbietern wohl vergeblich sucht.
Von Beamten und Arbeitern gegründet
Geschichte Die Landes-Bau-Genossenschaft Württemberg eG (LBG) hat ihren Hauptsitz in Stuttgart und mehrere Außenstellen. Sie besteht seit 1921 und gehört mit einem Jahresumsatz von 34,9 Millionen Euro und einem Bilanzvolumen von mehr als 224 Millionen Euro zu den großen Wohnungsunternehmen in Baden-Württemberg. Die 5500 Wohneinheiten sind auf rund 50 Städte und Gemeinden zwischen Bad Mergentheim und Friedrichshafen verteilt.
Investitionen Nach Genossenschaftsangaben hat die LBG im vergangenen Jahr für Bauinvestitionen 21 Millionen Euro ausgegeben; damit wurden seit 2004 mehr als 245 Millionen Euro in Wohnungen und Gebäude investiert.
Mitgliederzuwachs Am 13. Januar 1921 trugen sich im Friedrichsbau in Stuttgart 70 Beamte und Arbeiter von Bahn und Post in die Mitgliederliste der neugegründeten Landes-Bau-Genossenschaft württembergischer Verkehrs-Beamter und -Arbeiter e.G.m.b.H. ein. Heute zählt die Landesbaugenossenschaft nach eigenen Angaben 6000 Mitglieder.