Anhörung Günther Oettinger: Europas Grillmeister

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Stuttgarter Nachrichten Uwe Roth 01.02.2010

Kommende Nacht wird Günther Oettinger sicher nicht toll schlafen. Dem Noch-Ministerpräsident des Landes steht der Energieausschuss des Europaparlaments bevor. Drei Stunden muss sich der Christdemokrat nicht nur zu seinen Ansichten über Atomkraft und Biomasse befragen lassen, sondern ebenso über Gott und die Welt, ganz sicher zu seiner Filbinger-Rede.

Einige Abgeordnete haben angedroht, es ihm schwer zu machen. Um dem Nachdruck zu verleihen, fällt für die parlamentarische Befragung immer öfter der englische Begriff ¸¸grillen‘. Oettinger wird morgen ¸¸gegrillt‘ – und sich danach fühlen wie ein Hähnchen vom Spieß. So jedenfalls hat sein künftiger Kollege Olli Rehn gestern seinen Zustand nach der Anhörung auf den Garpunkt gebracht. Dabei ist der Finne im Gegensatz zu Oettinger EU erfahren und hat fünf Jahre Barroso-Kommission schon hinter sich gebracht.

Ob die 26 designierten EU-Kommissare tatsächlich im Februar ihr Amt antreten, hängt vom Votum des Europaparlaments ab. Es kann nur die komplette Kandidatenliste kippen, so dass der schwächste Prüfling die gesamte Barroso-Truppe ins Aus stellen könnte. Dass es dazu kommt, ist eher unwahrscheinlich. Die EU-Parlamentarier mögen die Kandidaten intensiv ¸¸grillen‘, doch sie werden sie nicht kollektiv in die Pfanne hauen. Die Ansichten der 736 Abgeordneten ist zu heterogen, als dass eine kritische Masse für eine Ablehnung zustande kommen könnte.

Die Anhörung ist in erster Linie gedacht als Machtdemonstration des Europaparlaments für die europäische Öffentlichkeit. Die Befragungen werden live im Internet übertragen, Twitter-, Flickr- und Facebook-Seiten sind eingerichtet und online gestellt. Wie viel Offenheit sich die EU da leistet, kann man am besten bei der Vorstellung ermessen, die Bundestagsabgeordneten hätten das Recht, sämtliche Minister öffentlich auf Tauglichkeit zu testen, bevor sie ernannt werden können.