Führerstand der alten S-Bahn-Modellreihe 420. Davor die neue Baureihe 430. Foto: Uwe Roth

Ärger über Verteilung der Gelder beim VVS

Print Friendly, PDF & Email

Bietigheimer Zeitung Uwe Roth 30.03.2017

Zum Beispiel bei der Bietigheim-Bissinger Reisefirma Spillmann ist der Ärger groß über die Umverteilung der Gelder innerhalb des VVS. Dort sieht man die eigenen Mühen nicht genügend entlohnt.

Das Tarifsystem des VVS ist grundlegend reformbedürftig. Das sagt Bülent Menekse, Geschäftsführer der Bietigheim-Bissinger Firma Spillmann, deren Busse einen Teil des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) im nördlichen Landkreis übernehmen. Der Grund: Es sei einseitig auf Stuttgart ausgerichtet – und zwar zum Nachteil des ländlichen Raums.

ÖPNV-Struktur nicht mehr zeitgemäß

Die Struktur des ÖPNV in der Region Stuttgart ist nach Überzeugung des Spillmann-Geschäftsführers irgendwann in den vergangenen 30 Jahren hängengeblieben und längst nicht mehr zeitgemäß. Als Gründe führt er an: Früher sei Bietigheim eine Auspendlerstadt gewesen, heute kämen viele Berufspendler zu ihrem Arbeitsplatz in die Stadt. Der ländliche Raum im Umkreis von Bietigheim-Bissingen sei längst nicht mehr so landwirtschaftlich geprägt, wie dies der Begriff erscheinen lasse. Familien sind ins Umland gezogen. Mancher Städter hat seinen Arbeitsplatz in einer kleinen Gemeinde gefunden. Doch das Liniennetz und die Bus-Taktung spiegelten diese Entwicklung nicht wieder, stellt Bülent Menekse fest.

Wer den Namen Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) hört, denkt zuerst an die Landeshauptstadt, an S- und Stadtbahnen und weniger an den Bus 554 Richtung Untermberg Am Türmle von Erligheim nach Bietigheim. Wenn in der Regionalversammlung über mögliche Fahrplanänderungen im VVS debattiert wird, dann eher über die Frage, ob die S-Bahn vom Stuttgarter Hauptbahnhof spät abends im Viertelstundentakt fahren soll, und weniger da­­rüber, ob Bus 554 zu dieser Zeit statt einmal in der Stunde, zweimal fahren könnte. „Es bräuchte mal mutige Entscheider, die das Thema grundlegend auf die Agenda bringen“, findet Menekse. Die Taktung außerhalb des Stuttgarter Kerngebiets sei oftmals „reines Alibi, um Daseinsvorsorge vorzutäuschen“.

Tickets für 500 Millionen Euro

Der VVS verkauft in Stuttgart und den fünf angrenzenden Landkreisen jährlich Fahrscheine im Gesamtwert von einer halben Milliarde Euro. Diese Einnahmen werden nach einem bestimmten Schlüssel auf die Deutsche Bahn (S-Bahn), die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG und die 40 beteiligten Busunternehmen in der Region verteilt. Früher war es jeweils eine Pauschale, seit 2015 erhalten die Busunternehmen einen bestimmten Prozentsatz von den Gesamteinnahmen. Nach der „Allgemeinen Vorschrift“ zur ÖPNV-Finanzierung im Verband der Region Stuttgart (VRS) wird der Anteil aus zwei Komponenten errechnet: Zu 70 Prozent ist dies die Zahl der beförderten Fahrgäste, zu 30 Prozent die Streckenlänge, die diese Fahrgäste jeweils zurückgelegt haben. Darüber hinaus erhalten die Busunternehmen Geld für den Vertrieb der Tickets.

Die zwei Komponenten ergeben sich aus jeweils einer Fahrgastzählung jährlich auf bestimmten Linien, erläutert der für dieses Gebiet beim VRS zuständige Dr. Jürgen Wurmthaler. Zusätzlich würden alle sechs Jahre Fahrgastbefragungen gemacht. Die Ergebnisse seien repräsentativ, versichert er, dennoch werde beim VVS über zuverlässigere Systeme für die Zählung nachgedacht – beispielsweise über Sensoren in den Bussen oder über Videokameras.

Die Summe, die die Firma Spillmann vom VVS erhält, „deckt weniger als die Hälfte der Kosten ab“, sagt der Geschäftsführer. Grund seien vor allem die verbilligten Tickets für Kinder, Schüler, Senioren oder auch Menschen mit Behinderung. Dafür gäbe es zwar eine Ausgleichszahlung vom Land. Doch dieses sogenannte Surrogat sei seit 2010 eingefroren. Insbesondere die seither gestiegenen Personalkosten vergrößerten das Defizit.

Mehr Geld vom Land gefordert

Folglich fordert Menekse mehr finanzielles Engagement der Landesregierung. Doch auch beim vollen Kostenausgleich bei den verbilligten Tickets bleibt nach seinen Worten ein Minus im Linienverkehr. Da wiederum der Landkreis für den Busverkehr zuständig ist, muss dieser über eine Verbandsumlage in die Presche springen.

Das letztlich komplizierte Ausgleichsystem reiche lediglich, um den Status quo zu halten. Der Ausbau des ÖPNV, wie von der Politik eigentlich gewünscht, sei damit nicht zu stemmen, stellt der Spillmann-Geschäftsführer fest. Er würde sich über „eine breitere Debatte dazu freuen“.