Bietigheimer Zeitung, Uwe Roth, 17.12.2018
Johannes-Christoph von Bühler ist am Sonntag mit einem Gottesdienst in der Ludwigsburger Friedenskirche in den Ruhestand verabschiedet worden. Der evangelische Theologe war 15 Jahre als Schuldekan für die Kirchenbezirke Ludwigsburg und Besigheim zuständig. Sein Betreuungsbereich reichte von Kornwestheim im Süden bis Lauffen ganz im Norden.
Hunderte angehender Religionslehrer hat er in den Beruf begleitet. Er hielt mit viel Zeitaufwand die Fäden zwischen seiner Kirche und der Staatlichen Schule zusammen. „Ich war so gerne Schuldekan“, bekennt er vor seinem Ruhestand, der offiziell erst im März beginnt. „Schuldekan ist ein fantastischer Beruf.“ In diesem Amt habe er „relativ viele Freiheiten“ gehabt. Und er bekräftigt: „Ich würde es glatt noch einmal machen.“
Schüler im Mittelpunkt
In seiner Zeit lag ein grundlegender Wandel in der Gestaltung des Unterrichts: Im Mittelpunkt steht nicht mehr der Lehrstoff, sondern die Kompetenz des Schülers. „Wir haben eine Menge pädagogischen Raum durchschritten“, bilanziert der 65-Jährige. Früher sei der Katechismus das Maß der Dinge gewesen. Für die Schüler war das Gebot, die evangelischen Glaubensgrundsätze auswendig zu lernen. „Wie beim Nürnberger Trichter. Wissen wird oben reingestopft.“ Heute sei der Unterricht auf Kreativität angelegt: „Wir fangen schon in den Grundschulen an, mit den Kindern über schwierige Fragen zu diskutieren und sie zum selbstständigen Denken aufzufordern“, sagt er. Schüler sollen Denken lernen – beispielsweise bei der Interpretation von Geschichten aus der Bibel. „Wie schaffte es Gott, Daniel ohne Verletzungen aus der Grube des Löwen zu kommen?“, war so eine Frage an die Kinder. „Da kamen dann wilde Konstruktionen heraus. Aber das war okay.“
Von Bühler hatte selbst lange Unterricht gegeben, bevor er als Schuldekan aus der hintersten Reihe im Klassenzimmer Religionslehrer bei ihrer Arbeit beobachtete und anschließend bewertete. „Unterrichten, das war mein liebstes Ding“, sagt er noch heute. „Vor meiner Zeit als Schuldekan habe ich mit großer Freude in einer Werkrealschule unterrichtet. Da habe ich wirklich mein Herz für diese Schulart verloren.“ Seine Reli-Kinder damals in Ditzingen habe er „sehr geliebt“.
Sein Beruf sei auch nach der Zeit als Gemeindepfarrer „relativ seelsorgelastig“ geblieben, wie er sagt. Die Verwaltungsarbeit habe sich „relativ in Grenzen gehalten“. Dagegen sei er bei der Betreuung angehender Religionslehrer oftmals intensiv als Seelsorger gefragt gewesen. „Bevor junge Lehrer die Berufungsurkunde erhalten, ist ein Gespräch fällig“, erläutert er. „Sie glauben nicht, was bei diesen Gesprächen unerwartet alles auf den Tisch kommt.“
Quasi als Rektor habe er als Schuldekan 20 eigene Lehrer beaufsichtigt. Wenn er sie zum ersten Mal gesehen habe, seien sie oft noch Jugendliche gewesen, die gerade mit ihrem Studium fertig geworden seien. Sie hätten eine Begleitung in den Status eines Erwachsenen benötigt. Bis manche selbstsicher vor eine Klasse stehen konnten, habe es oftmals den „Bedarf vieler Gespräche“ gegeben.
Sechs Thesen
Zum Abschied hat Johannes-Christoph von Bühler sechs Thesen hinterlassen. Die erste lautet: „Es braucht in einer christlichen Pädagogik den Vorrang der Person in Achtsamkeit und sensibler Wahrnehmung, in Interesse und Wertschätzung.“
Ohne Vorrang der Person landeten „sowohl pädagogische Theorie als auch Erziehungsarbeit im pädagogischen Aus“. Der Religionsunterricht, so heißt es in der vierten These, könne auch abstürzen. „Wie lange wird der Religionsunterricht noch an Konfession und Bekenntnis gebunden bleiben“, stellt er sich darin die Frage.
Werteerziehung
Als Einwanderungsland benötige Deutschland eine „allgemeine und verpflichtende Werteerziehung“, fordert er und fragt: „Sollte dies in Zukunft den Religionsunterricht ersetzen?“
Die Frage, ob er vollständig aus der Kirchenarbeit steigen wird, lässt er unbeantwortet. Stattdessen erläutert er, dass seine Frau, eine ehemalige Gymnasiallehrern, bereits im Sommer in den Ruhestand gegangen sei. „Sie ist fünf Tage älter als ich.“ Mit dem gemeinsamen Pläneschmieden für die kommenden Jahre haben sie bis zu seiner Verabschiedung gewartet. „Wir haben uns darüber verständigt, dass wir uns neu erfinden wollen. Bis jetzt steht da aber noch nichts fest.“
DER SCHEIDENDE SCHULDEKAN
Dr. Johannes-Christoph von Bühler ist 1953 in Tuttlingen geboren und in einem evangelischen Pfarrhaus in Stuttgart und in Markgröningen aufgewachsen. Sein Abitur hat er 1972 am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Ludwigsburg gemacht. Anschließend folgte ein Studium der evangelischen Theologie in Tübingen, München und Jerusalem mit Examen in Tübingen.
Das nachfolgende Studium der Erziehungswissenschaft in Tübingen endete mit einer Promotion über die Entstehung der Jugendforschung. Nach dem Vikariat war er 15 Jahre Pfarrer im Kirchenbezirk Ditzingen. Von 2003 bis 2018/19 Schuldekan in Ludwigsburg. uro